Widerfahrnis, und andere „Krimis“

„Gesänge zwischen den wogenden Schilfpflanzen am Gleisrand, begrenzt durch die Ränder des Schotters.“ Ein Satz aus den Moderationen meiner herbstlichen Klanghorizonte. „Niemandslandmusik“. Lassen wir mal die „Gesänge“ beiseite, und ob es Schilfpflanzen am Duisburger Hafen gibt: die Beschreibung könnte gut zu einer Szene aus dem Tatort „Der unsichtbare Gegner“ (***1/2 Sterne, der Nostalgiker in mir gibt deren **** ) stammen, einem Schimanski-Tatort aus dem Jahre 1982. Graues Ruhrgebiet, Götz George, herrlich polternd und sinnierend mit Tanner an seiner Seite, bevor auch „Schimi“ irgendwann seinen rauen Charme ausgereizt hatte. Diese Duos im Tatort haben bei mir mitunter eine rasche Verfallszeit, oder sie werden „Kult“, was fast noch schlimmer ist. Bei den Münsteranern bin ich rasch ausgestiegen, der Witz war auf Bud Spencer – Terence Hill – Niveau für Intelektuelle gesunken, die Drehbücher wurden immer mehr zum Pointenlieferanten.


Als ich ein paar Tage allein war mit unserer Pflegetochter (die Schule hat wieder angefangen, und sie möchte im Herbst 10 Tage in ein nicht ganz so ungefährliches Land fliegen, was wir nicht so toll finden), stöberte ich abends, wenn ich nicht gerade an meiner Sendung feilte oder in Nicolás Ferraros Thriller und Coming-of-Age-Roman „Ambar“ versank (diese junge Frau hat‘s auch nicht leicht!), huschte ich durch Tittelbachs TV-Seite und entdeckte zwei Tatorte (neben dem „Schimanski“ noch „Der oide Depp“ mit den beiden Münchnern, bei denen nun auch Schluss ist: das sind zwei Tatorte, die so gut sind, dass man sie auch nach Jahren gerne noch einmal sehen kann, und einen exzellenten „Polizeiruf 110“, einen der besten mit Claudia Michelsen, namens „Widerfahrnis“. Ein eindringliche dunkle Geschichte, die nachwirkt. Wie „Der oide Depp“ (****1/2) ist auch „Widerfahrnis“ (*****) eine cold case-Story mit zwei Zeitebenen, die feinsinnig verwoben werden. Und beide enden mit einer „romantische Volte“, ohne jeden Hauch von Kitsch. A propos Tittelbach: mir sind da die Besprechungen oft zu positiv, wie zuletzt bei einem der „bretonischen Krimis“ , wo die Figuren alle so melodramatisch „überperformen“ in Gestik und Mimik, als hätten sie einen Peter Lorre-Gedächtnis-Kurs hinter sich.

(m.e.)

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