Ein seit Jahrzehnten erwartetes Album

Ich hatte mein Fahrrad abgeschlossen und trat ins Café, das ungewöhnlich leer war. Abendlicht fiel auf die Wände. Ab und zu wurden hier Fotos ausgestellt. P war noch nicht da. Die ausgedruckten Texte, die wir besprechen wollten – ein paar Gedichte von ihm, ein paar von mir – hatte ich in einer Tasche dabei. Der große Bildschirm über der Treppe, die zu den Klos herunterführt, war sonst nicht hier. Vielleicht sollten wir woandershin gehen. Ich wollte weder Fußball noch sonstige bewegte Bilder im Hintergrund haben. Ins Bild kam eine Art Arena, ein großes Amphitheater; mit der Antike hatte ich nach meiner Schulzeit abgeschlossen. Himmel und weite Fläche, ein Nachmittag. Dann bauten sie die Instrumente auf. „Ist das nicht Pink Floyd?“ fragte ich. „Live at Pompeii,“ sagte der Kellner. P traf ein und ich sagte, ich müsse schnell nach Hause und den Videorecorder anstellen. In zehn Minuten sei ich wieder da. Das war meine erste Begegnung mit diesem Konzert, das zu den magischsten der Musikgeschichte gehört: trotzig, aber vor allem maximal lässig aufgeführt ohne Publikum. Die Abmischung zwischen der überirdischen Musik, dem Gesang, Bildern wie aus dem Lateinbuch und dem Lavaspeienden Vulkan. Texte von inhaltlicher Tiefe, und, noch faszinierender, die Passagen, die ohne Worte noch viel mehr ausdrückten, als es Worte und Sätze je könnten, das Mikro vor der Hundeschnauze und eine Art Geheul von David Gilmour am Ende des Tracks „A Saucerful of Secrets“, während er sich sein langes Haar ins Gesicht flattern lässt und ich aufhörte zu atmen, um bloß keine Störung zu verursachen. Ausgerechnet diese Passage hatte ich irgendwann versehentlich überspielt. Deshalb hatte ich mir auch noch die DVD des Konzerts gekauft, The Director’s Cut. Da die Lautsprecher beim Fernseher meine Ansprüche an einen musikalischen Sound nicht erfüllen und ich also eine rein akustische Fassung des Konzerts haben wollte, kaufte ich mir auch noch die Doppel-LP „Pompeii“, musste aber feststellen, dass es sich um eine rein instrumentale Fassung ohne Gesang handelte. Die Enttäuschung war groß. Hatte ich etwas übersehen? Es konnte doch nicht sein, dass es ausgerechnet dieses Konzert nicht als rein akustische Fassung auf einem Tonträger gab. Aus welchen Gründen auch immer: Das Konzert war in rein akustischer Version nicht zu haben. Neulich habe ich bei meinen Recherchen zur Radiosendung über elektronische Musik in Deutschland Dank der Hinweise der Art „aus dieser Rubrik kauften andere Kunden auch folgende Alben“ entdeckt, dass es „Live at Pompeii“ erst seit wenigen Monaten, nämlich seit 2. Mai 2025, erstmals als reines Audioformat zu kaufen gibt, auf Vinyl oder CD. Ein paar Tage zuvor, am 23. April 2025, war der Film in einigen Kinos gelaufen. Die Worte „Live at Pompeii“ habe ich sogar in eins meiner Gedichte aufgenommen; es hat den Titel „Ich wusste nicht mehr, was ausgedacht und was Wirklichkeit war“ und es findet sich inzwischen in meinem Gedichtband „Häuser, komplett aus Licht“. Das Fragment, aus dem Zusammenhang gecuttet, lautet: „Live at Pompeii, oder woanders, egal. Ich bin in deinen Armen verloren.“

18 Kommentare

  • Olaf Westfeld

    Wunderbar – kaufst Du Dir die LP, die CD und läßt Du alles in der Dämmerung der Erinnerung?
    Ich war mir sicher, hier schon von der Veröffentlichung gelesen zu haben, eine Suche hat mir allerdings gezeigt, dass ich mich täusche. Dafür hat mich eine andere Suche direkt zu dem Konzertfilm geführt – läuft demnächst (auch dank deines Textes) hier auf dem Fernseher: https://www.arte.tv/de/videos/127358-000-A/pink-floyd-live-at-pompeii/

  • Martina Weber

    Ich werde die CD kaufen. CDs sind für mich praktischer, weil ich mehrere CD-Spieler habe, aber nur einen Plattenspieler, und der macht manchmal Probleme. Bei Vinyl bin ich also an einen bestimmten Raum gebunden. A propos herausfordernde Technik: Da meine Abacusboxen fürs Notebook trotz einiger Versuche, es zu beheben, immer noch Rauschgeräusche von sich geben, jedenfalls eine der Boxen, habe ich eine neue Lösung gesucht und ein AUX-Kabel besorgt, das das Notebook mit einer kleinen Panaxonic-Anlage, die einen AUX-Zugang hat, verbunden. Die Abacus-Qualität ist weitaus besser, vom Hörgefühl her analog, aber die AUX-Kabel sind jedenfalls eine Möglichkeit, die zuverlässig funktioniert.
    Super, dass du das Konzert auf ARTE gefunden hast. Ich hab’s auf einem Zettel notiert: Mittwoch, 10. September, ab 23:15 Uhr. 80 Minuten Live at Pompeii.

  • Michael Engelbrecht

    Ich hatte nie so eine Initialzündung für Live At Pompeji. Kann also nur von flüchtigen Erinnerungen reden, und die zählen nicht wirklich. Es hatte auf jeden Fall was Faszinierendes, der Ort, die Musik…, und nun erfahre ich, dass es Martinas damaliges Gesamkunstwerk auch recht günstig in Sound and Vision als 5:1 Surround Sound gibt.

    Aber es ist wie mit Drumming. Nach so viel Erfahrung mit Floyd (auch ihrem späteren Bombast) sowie mit Reichs Minimal Music könnte das erneute Erleben eher historisch interessant als unmittelbar überwätigend werden. Ich zögere noch mit dem Kauf der Surroundfassung, und schau mir erst mal den Film auf Arte an.

  • ijb

    Der Film lief kürzlich hier eine Weil im Kino, und ich habe ein paar mal drüber nachgedacht, hinzugehen. Es passte dann allerdings terminlich nie so ganz, und nachdem ich mit dann testweise einen Trailer oder ein oaar Auszüge irgendwo bei YouTube o.ä. angeschaut und irgendwo eine oder zwei Besprechungen zum Film gelesen hatte, schwand mein Interesse dann auch signifikant. Ich las, dass die einiges geplant hatten für die gefilmte Performance in Pompeji, aber dass vieles daneben ging, und man deshalb behelfsweise recht viel Studioaufnahmen hinzufügte, um überhaupt auf – wie man soi sagt – eine abendfüllende Laufzeit zu kommen.
    Der Film ist übrigens schon jetzt im digitalen arte-Angebot (Mediathek) anzuschauen. Man muss also nicht bis zum 10. September warten.

    Die erwähnte „Lange Nacht“-Sendung über elektronische Musik hatte ich damals wohl auch gehört, habe mir auf deine aktuelle Erwähnung hin – und nachdem ich das Sendungstranskrpit heruntergeladen hatte – die MP3-Datei aus meinem digitalen Musikarchiv hervorgekramt und werde mir das in Bälde auch noch einmal bewusst anhören. Wir sind nächste Woche ein bisschen mit dem Mietwagen unterwegs, da passt das ganz gut.

  • Michael

    Heute las ich etwas über ein anderes Werk, das mich erstaunte…

    Ähnlich wie damals Live At Pompeji gab es Filmprojekte oder Alben die große Resonanz hatten … nicht zuletzt bei Bands wie Pink Floyd oder Genesis mit Peter Gabriel … also Bands aus der Prog Ära, vereinfacht gesagt …

    Also wurden die von mir geschätzten Eiko Isibashi und Jim O Rourke in Mojo nach ihrem absoluten Lieblingsalbum befragt … und da fiel mir fast die Kaffeetasse aus der Hand ….

    Ich glaube sie nannten zwei absolute favourites, und beide nannten THE LAMB LIES DOWN OB BROADWAY….

    Ich konnte mir das Doppelalbum nie ganz anhören ohne vorher die Flucht zu ergreifen … als Teenager liebte ich Foxtrot und solche wilden theatralischen Werke von Genesis, auch Nursery Rhyme… mittlerweile ist das Interesse an diesen alten Alben nicht mehr so glühend … aber the lamb lies down in broadway als absolutes desert island Album zu bezeichnen … unisono … von zwei Musikern die sich auf das Subtile verstehen , hat mich schon total erstaunt … sorry für die Abschweifung …. meine sicher flüchtigen Eindrücke waren: das ist ja ungenießbar und verschwurbelt …. nervtötend … typisch überambitioniert …. freiwillig werde ich mit das Lamm auf dem Broadway nicht mehr anhören…

    Gibt es hier einen lover dieses Albums

    Zurück zu Pink Floyd : als Teenager liebte ich das Stück Set The Controls For The Heart of the Sun total und hörte es sehr oft, ich glaube es war auf der Platte A saucerful of secrets …

    M.E.

  • Martina Weber

    „The Lamb Lies Down On Broadway“ ist mein Lieblingsalbum von Genesis! Ich liebe diese Platte seit Jahrzehnten. Sie gehört zu der Plattensammlung, die mir jemand geschenkt hat, weil er seine Plattensammlung komplett auflösen und auf CDs umsteigen wollte. Es waren mehrere Alben von Genesis dabei, aber „The Lamb (…)“ finde ich am besten. Ich würde es jetzt hören, wenn mein Plattenspieler nicht wieder herumzicken würde. Dann nehme ich das als Zeichen des Aufbruchs zum Radfahren.

  • ijb

    Witzig. Ich muss/kann zugeben, dass ich mit dem „Frühwerk“ (für viele ist es ja das „Hauptwerk“) von Genesis, also den Peter-Gabriel-Jahren auch nie eine Beziehung aufbauen konnte. Ich finde das keineswegs schlimm oder grausig, aber bemerkenswerter Weise sprach mich diese Musik nie an. (Dabei bin ich wiederum, als Kind der Spät-70er und 80er ja, gebe ich ehrlich zu, mit den Pop-Jahren der Band weitaus gnädiger als die meisten Musikliebhaber. Und Peter Gabriel nach Genesis finde ich auch zumeist super.) Ich bin wahrscheinlich einfach nie Prog-Freund geworden, daran wird’s liegen.

    Ich hab grad mal wieder Valerie Junes neues Album „Owls, Omens and Oracles“ gehört. Die mit M. Ward produzierte und eingespielte LP ist aktuell mein liebstes „Album des Jahres“. Große Klasse!
    Ich kaufe ihre Alben seit dem ersten (kommerziell veröffentlichten) „Pushin‘ Against a Stone“, und sie sind alle toll. Eigentlich total schade, dass sie bei weitem nicht die Anerkennung bekommt, die anderen US-Songwriterinnen der gleichen Generation (der gegenwärtig Mitte-30- bis Mitte-40-Jährigen) zuteil wird. Ihr bisheriges Werk ist vielseitig, leidenschaftlich, eingängig und voller Raffinesse, jede Platte lässt sich auf ihre Weise von Herzen empfehlen.

    Liebend gerne würde ich mal zu einem Konzert gehen, aber die Europa-Tour Ende 2025 findet nur in einer Handvoll Städte außerhalb Deutschlands statt. Ich überlege ernsthaft, mit dem Zug nach Amsterdam oder Rotterdam zu fahren, zumal die Tickets keine 30 Euro kosten.

  • Olaf Westfeld

    Da bin ich ganz bei Ingo – ich kenne nur die späten Genesis (und da gibt es auch einiges, was ich irgendwie mag), mit den frühen bin ich nie warm geworden. Das ist bestimmt tolle Musik! Aber auch ich habe mich mit Prog (noch) nicht so richtig anfreunden können.

    Ich bin auch darüber gestolpert, dass Du, Martina, „Live in Pompeji“ nicht einfach irgendwann in der Mediathek schaust, sondern bis zum 10.09., 23:15, wartet. Aber wahrscheinlich machst Du das ganz gerne so?

  • Martina Weber

    Na ja, Olaf, ich würde das Pompeii-Konzert auf ARTE tatsächlich auch nochmal aufnehmen, aber diesmal nicht mit dem Videorecorder 😉
    Ich habe nicht geschaut, ob auf ARTE der Director’s Cut läuft; den würde ich nicht aufnehmen, ich habe ihn ja auf DVD.

    „The Land Lies Down On Broadway“ ist ein Doppel-Vinylalbum und in der Fassung, wie ich sie geschenkt bekommen habe (von 1974) sind alle Songtexte dabei. Was mich daran fasziniert, ist der gesamte Drive, die seltsame Melodieführung und auch die rätselhaft-mythischen, schwer zugänglichen Welten, die sich hinter den Texte verbergen. Ein bisschen überladen ist das Ganze schon …

    Wahrscheinlich bin ich auch die einzige hier, die „Misplaced Childhood“ von Marillion gerne hört. Im März 2016 habe ich auf manafonistas darüber geschrieben, hier der Link: https://www.manafonistas.de/2016/03/07/jentend-ton-coeur/
    Damals ist Ian McCartney auf den Marillion-Zug aufgesprungen und hat ein paar Tage später auch einen Text über diese Platte geschrieben, voilà: https://www.manafonistas.de/2016/03/11/zeta-reticuli-knows-the-magpie-may-too/

  • Michael Engelbrecht

    Interessant.

    Nun, the lamb lies down war der Sxhlusspunkt vom Genesis mit Gabriel, und klang ganz anders als die Werke davor, die ich durchweg spannend fand, und, wie gesagt, super im Falle von Foxtrot. Ich war 17.

    Stephen Wilsons surroundmixen verdanke ich es, dass ich sogar einst verschmähte Werke von Yes neu entdeckte. FRAGILE ist grandios, und Tales of … Oceans keine Hassplatte mehr😉

    Nun erscheint oder ersxhien The Lamb zum 50. als 4 Cd Box mit Blu Ray Surround Mix! Vielleicht finde ich jemanden, der mir den Surroundmix leiht. Ich würde berichten. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.

    „Außerdem ist in der Box ein 60-seitiger Bildband mit Linernotes des Journalisten Alexis Petridis enthalten, der alle fünf Bandmitglieder interviewt hat, um die Geschichte des Albums von den Schreibsessions bis zu den Live-Auftritten zu erzählen – vermutlich das einzige Mal, dass dies seit der ursprünglichen Veröffentlichung geschehen ist.“

    Mr. Petridis ist also auch Fan des Albums😉 – und ein Spätgeborener, Jahrgang 1971.

  • Michael Engelbrecht

    Pink Floyd und experimentelle Filmemacher waren wie füreinander geschaffen. Ganz am Anfang jedemfalls. Eine vage Handlung? Unverständliche Charaktere? Okeydokey! In der Zeit unmittelbar nach dem Ausscheiden von Syd Barrett konnte Pink Floyd all das sicherlich nachempfinden – und gegen eine angemessene Gage würde die Band Filmemacher eine suchende und zeitweise explosive Musik als Soundtrack dazu improvisieren.

    Das hatte für die BBC (die Mondlandungen, 1969) und bei Barbet Schroeder für die Filme More (1968) und La Vallée (1972) funktioniert, aber als sich der französische Regisseur Adrian Amaben an Pink Floyd wandte, war es wohl schon etwas zu spät, um ihre volle Aufmerksamkeit für ein vage umrissenes Projekt zu gewinnen, das ihre Musik mit Werken surrealistischer Kunst kombinierte.

    Schließlich waren Pink Floyd mittlerweile auf dem Weg nach oben. Der „Ping“-Sound in „Echoes“ hatte kürzlich deutlich gemacht, wie die Band mit strukturierten, konzeptionellen Stücken ihren Weg über den nächsten Horizont hinaus finden könnte.

    Als Maben jedoch unbeeindruckt mit einer überarbeiteten Idee zurückkam – nämlich die Band im Oktober 1971 beim Spielen in einem leeren Amphitheater in Pompeji zu filmen –, hatte er etwas gefunden, das seltsam genug war, um ihr Interesse zu wecken. Maben gelang es, eine Ära auf eine Weise festzuhalten, die ein hartnäckigerer Dokumentarfilmer vielleicht übersehen hätte.

    Er filmte eine bedeutende Band auf eine Weise, wie solche Bands normalerweise nie gefilmt werden: ausführlich, in hervorragender Qualität und – was am wichtigsten ist – gerade als sie sich in eine Phase begaben, die man ohne Übertreibung als ihre bedeutsamste Phase bezeichnen kann.

    Mabens Regie – nun in der brillanten Bildqualität dieser Neuveröffentlichung zu sehen – dreht sich ganz um Grandezza. Das Filmmaterial von „Pink Floyd: Live At Pompeii“ enthält einige schöne Momente, wie zum Beispiel die Band, die durch die Vulkanlandschaft streift und mit dem brodelnden Schlamm kommuniziert (eine visuelle Geschichte der Pink-Floyd-Promo-Bilder zwischen 1971 und 1974 würde viel Sand zeigen), aber die Hauptfigur und der Umfang der Konzertsequenzen sind monumental.

    Die Kamera bewegt sich würdevoll, nimmt die historische Kulisse in sich auf und zeichnet den Aufbau des Sets nach. Es gibt anmutige Kamerafahrten über die Rückseiten der Verstärker („Pink Floyd. London“), die deutlich machen, dass in der Mathematik dieser Zeit die Menge der Ausrüstung gleichbedeutend mit ernsthafter Musik war. Das war eindeutig ernst gemeint – eine Tatsache, die durch das Vorhandensein eines Komzertflügels bestätigt wird.

    Langsam entfaltet sich das Set der Band. Der erste Teil von „Echoes“, „Careful With That Axe, Eugene“, „Saucerful Of Secrets“… es ist faszinierend und opulent anzusehen, wie die Band an einem sonnigen Nachmittag träge diese sehr gute Musik spielt. Auf einer Ebene ist es eine Szene des Fin-de-Siècle-„Pranksterismus“: Sie sind hier, um etwas um seiner selbst willen zu tun; das gleiche harmlose Ausloten von Grenzen, das einen dazu bringt, eine Schule oder eine Untergrundzeitung zu gründen.

    Andererseits wirkt der Film, auch wenn die Szene im Nachhinein betrachtet sehr belastet ist, heute nachdenklicher und maßgeschneiderter. Pink Floyd. Das Amphitheater von Pompeji. Welches ist das beständigere Bauwerk?

    Die Persönlichkeiten von Pink Floyd lockern die Ernsthaftigkeit auf. In Interviews, die während der Produktion von „The Dark Side Of The Moon“ im Jahr 1972 geführt wurden, erhalten wir nicht viel Einblick in Rick Wright oder den leicht in Gedanken versunkenen David Gilmour. Roger Waters? Er hat zu allem eine klare Meinung, von philosophischen Fragen zur Instrumententechnologie (laufen die Maschinen von Floyd von selbst?) bis hin zu den nicht zischenden zweiten Pressungen von Obscured By Clouds. Das wahre Geschenk für die Filmemacher ist jedoch zweifellos Nick Mason. Mit seinem verrückten Schlagzeugspiel ist seine Präsenz ein Gewinn für die Live-Sequenzen, die ansonsten von ruhigen Gitarrenklängen und Roger Waters‘ gelegentlichem Gongschlagen geprägt sind.

    Zurück in der Kantine der EMI Studios in der Abbey Road kritisiert er den Weizengrassmoothie („Ich nehme Eier, Würstchen, Pommes und Bohnen – und einen Tee“) und ist ebenso kenntnisreich über die damalige Zeit und den Platz von Pink Floyd darin wie dogmatisch in Bezug auf das richtige Stück Obstkuchen („NICHT ein Eckstück“).

    Für manche Menschen, so Mason, sind Floyd „Teil ihrer Kindheit“; Teil der „Underground-London“-Ära, zu der auch das kostenlose Konzert im Hyde Park gehörte. Das sei alles schön und gut, meint er, aber es sei kein Ort, an dem die Band für immer bleiben wolle.

    Im Studio beobachten wir, wie Rick Wright einen weiteren gut gewählten Keyboard-Triller zu „Us And Them“ hinzufügt, und verstehen sofort, dass diese Gefahr nicht besteht. Wie die Welt bald erfahren wird, hat die Musik von Pink Floyd bereits die Sorgen der Erwachsenenwelt aufgegriffen. Was sie von nun an spielen werden, wird – im Guten wie im Schlechten – von der Verantwortung ihrer eigenen Reife geprägt sein.

    (John Robinson, Uncut, 2025, übersetzt mit deepl, und an einigen Stellen etwas griffiger gemacht von M.E.)

  • Martina Weber

    Ah, schöner Text. An die Essensbestellung erinnere ich mich. Was für eine Kombi – und all das mit dem obligatorischen britischen Tea.

    Ich erinnere mich daran, dass ich einige Songtexte von „The Land Lies Down On Broadway“ in meinem Studentenwohnheimszimmer sogar leise mitgesungen habe. Die Lyrics sind durchaus anspruchsvoll. Diese Welten zu betreten, hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich bin auch davon überzeugt, dass solche Texte langlebig sind, mehr als vieles zeitgenössische (modische) Zeug.

  • Jan Reetze

    Pink Floyd höre/sehe ich nicht mehr oft, und wenn, dann meist festivalartig mehrere Abende lang. Ich gestehe, dass mir Roger Waters den früheren Spaß an der Band vermiest.

    Das erste Mal habe ich Pompeii im Hamburger Abaton-Kino gesehen, wo der Kinoleiter Werner Grassmann bei Filmen dieser Art nie verabsäumte, darum zu bitten, das Kiffen im Saal zu unterlassen — die Klimaanlage schaffe es nicht. Die DVD habe ich mir dann auch irgendwann zugelegt. Dankenswerterweise kann man die Gesprächsteile überspringen; ich vermute, dass es sich dabei tatsächlich um Füllmaterial handelt. Aber die Musikteile sind schon immer noch faszinierend. Wie es der Zufall wollte, war Pink Floyd mein erstes Rockkonzert überhaupt, wohl 1969. Das vergisst man nicht.

    Genesis hat mich seltsamerweise immer kaltgelassen. Tatsächlich gibt es nur ein Genesis-Album, das ich immer mal wieder höre: Seconds Out. Ich wüsste gern, ob Phil Collins wohl schon immer wusste, dass er es könnte, oder ob er es erst zwangsweise nach dem Weggang von Gabriel entdeckt hat.

  • Michael Engelbrecht

    Da hat halt jeder seine eigene Hörgeschichte. Um es noch mal ganz klar zu sagen: ichbhabe stets nur oberflächliche Hörerlebnisse mit The Lamb Lies Down gehabt, aber instinktiv immerzu die Flucht ergriffen. Wenn nun einige ihre Zuneigung (wie Martina oder Alex) oder Liebe bekunden (wie Eiko und Jim), dann würde ich es schon noch mal gerne versuchen: vielleicht kann ich die Akte dann schliessen.

    Bei Genesis spielte in meine, Leben allein FOXTROT eine grösserer Rolle und war mit einer natürlich unglücklichen Teenagerliebe verknüpft, alles nach Peter G liess mich kalt. Und selbst bei Peter G sind heute nur zwei Alben geblieben, zu denen ich zirückkehre, egal wie gross SO und Us etc sein mögen: 3 und 4 nämlich, die auxh Extranamen hatten: Melt und ? Egal. Die Soloalaben 3 und 4 bleiben in meiner Sammlumg der 250 Platten und CDs.

    Also: wenn jetzt jemand diese box mit der BluRay der surround fassung von The Lamb Lies Down On Broadway: dann bitte melden bei micha.engelbrecht@gmx,de
    – ich qürde sie gerne für zwei Wochen ausleihen😉 aber wenn schon das Lamm am Broadway, dann surround….

    Ich konntes nicht lassen und habe mir die fette Phaedra Box gekauft und die Blu Ray mit Sourround mit Pompeji bestellt. In meiner elektrischen Höhle werden keine Drogen untersagt, Jan, ich denke, ich nehme dazu 6 mg Red Borneo Kratom ein. Ist gut verträglich und nice.

    Phaedra, die stereo CD und die Surround Fassung ist angenehm unbombastsich – habe ich so nicht erwartet, und wäre damals sicher öfter bei mir gelaufen. Aber dann kam Herr Eno mein Leben und der Soundtrack meiner endlos gezählten Tage wurde ein anderer😂

  • Alex

    Lamb Lies Down habe ich nie begriffen, kein Lied hat mich darauf gepackt, das hörte sich total öde an, wie Genesis auf Autopilot, dabei war ich Fan. Meine Lieblingsalben von Genesis waren in der Reihenfolge Selling England by the Pound mit The Battle of Epping Forest, das sich an einer Stelle ins Metaphysische aufschwingt, das märchenhafte Nursery Cryme auch wg. dieser seltsam-sinistren Atmosphäre, wo z.B. Croquet mit Kinderköpfen gespielt wird, Trespass mit dem rockigen The Knife und Foxtrot mit der tollen Minioper Supper’s Ready und dann auch A Trick of the Tail, das 1. Album mit Phil Collins, das meine 1. Genesis-LP 1976 bzw. 1977 war, das einzige mit ihm, das ich gemocht habe.

  • ijb

    Das ist ja durchaus faszinierend, wie sich hier gerade das Gespräch auf drei so radikal unterschiedliche große progressive Bands der 70er ausgebaut hat. Ich bin bekanntlich erst zum Ende jenes Jahrzehnts auf diesen Planeten gekommen, d.h. ich habe mir diese Bands von hinten erschlossen, teils von den 80ern kommend (Tangerine Dream, Genesis), via Thief (Michael Mann) und als das Very-80s-Musikvideo von Land of Confusion mit den Spitting-Image-Figuren präsent waren, teils von den 90ern, als Genesis zwei Jahre lang noch einmal berühmter und präsenter wurden und sich da noch einmal eine jüngere Hörer(innen)-Generation erschlossen haben und Pink Floyd zur selben Zeit mit „Division Bell“ ein letztes, aber weithin ungeliebtes Millionenverkaufsalbum rausbrachten – beides im extremen Kontrast zu damals, Anfang der 90er vorherrschenden Musikmoden des superpoulären Alternative bzw. Grunge Rock.

    Genesis ist heue nur noch mit einem Album in meiner Sammlung vertreten – allerdings mit dem 3-CD-Set Platinum Collection, das trotz des Wühltisch-Titels durchaus sehr gut ist; es bietet Singles, Hits und Albumtracks vom letzten Album bis zum zweiten (das Debüt wurde ausgespart), chronologisch rückwärts, beginnend mit No Son of mine, das ich noch immer enorm stark finde (auf dem zugehörigen Album sind auch ein paar 10-Minuten-Stücke, die sicherlich noch immer sehr gut sind). Auf dem letzten der drei Tonträger sind dann Stücke aus der Gabriel-Phase, und die CD hab ich, glaube ich, noch nie komplett. durchzuhören geschafft. (Mindestens eines der Alben hatte ich auch mal auf LP (Nursery Cryme muss es gewesen sein), und damit ging’s mir ähnlich.)
    Allerdings scheint mir das auch bemerkenswert, denn ich kann die Faszination dieser Musik durchaus nachvollziehen und bewundern, und auch Peter Gabriels Schaffen nach Genesis kann ich bis heute sehr gut hören (wenn es auch nicht wahnsinnig oft vorkommt), das dritte und das vierte Album sowie (selbstredend das meisterhafte) Us wären wohl auch meine Favoriten innerhalb eines durchweg mindestens sehr guten Solowerks.
    Wahrscheinlich haben diese gezeichneten Albumcovers auch damit zu tun, dass ich mich damit immer schwer getan habe; die sind wirklich so überladen, extrem 70er-Jahre-progrock-mäßig, dass sie für mich wohl synonym zur Musik geworden sind (Lamb on Broadway natürlich die einzige Ausnahme in dieser Cover-Serie), die mir dann doch fern bleibt. Musik aus einer ganz anderen Zeit, mit entsprechenden Bildern dazu. Ich habe diese dritte CD gerade eingelegt – und es ist schon viel launiges Gedudel mit langen Soli … das geht mir tatsächlich zum einen Ohr rein, und zum andern wieder raus.

    Von Tangerine Dream haben zwei Alben in meiner Sammlung ihren Platz verteidigt: Rubycon und Force Majeur; mir gefällt, das die so unterschiedlich sind. „Phaedra“ ist ja sehr ähnlich wie Rubycon; aber mir kommt es auch nicht ganz so ausgereift vor, und nachdem ich es häufiger gehört hatte, konnte es keinen dauerhaften Platz in meiner Kollektion verteidigen.

    Von Pink Floyd sind es einige mehr; und da beeindrucken mich sowohl die starke Bandbreite als auch die enormen qualitativen Unterschiede in der Diskografie. Dark Side kannte ich lange vor allem in der Neunziger-Liveversion vom Album Pulse (das mir irgendwann geklaut wurde), und das Studioalbum hat sich bei mir nie so einen Platz im Herzen erkämpft wie andere der Band; ich habe es eigentlich fast nur aus Pflichtgefühl zwischen den anderen neun oder zehn CDs stehen, in einer Remaster-Version von 2011 mit einer Komplett-Live-Version von 1974 auf CD2.
    Besser finde ich wohl Wish you were here und Meddle, aber auch Piper at the Gates, und sogar Animals und The Wall geben mir mehr. Außerdem hab ich noch Atom Heart Mother, das ich von den bizarren Alben am reizvollsten finde (Ummagumma hab ich wieder verkauft), Saucerful of Secrets und eben Division Bell, das ich erst vor nicht so langer Zeit günstig aus zweiter Hand wieder gekauft habe (in der Remaster-Serie, nachdem ich als Jugendlicher lange das Originalalbum hatte), und ich finde es doch besser als sein mieser Ruf sagt – auch wenn nicht alles darauf zwingend ist. Aber allein High Hopes und zwei, drei andere Songs machen die CD lohenswert.
    Und dann habe ich noch ein 2-CD-Set mit 27 Stücken: Cre/ation – The Early Years 1967-1972, ein bisschen zur Vollständigkeit, weil da viel Tolles aus verschiedenen Quellen gut zusammengestellt ist, ein paar Singles wie Arnold Layne und See Emily Play, eine Suite von „Zabriskie Point“-Stücken, verschiedene Alternativ-Mixe und sonstige „Odds and Ends“, ein paar Live-Nummern (Atom Heart Mother in einer „Band Version“ und Interstellar Overdrive, das man auch wirklich nie verkehrt ist) und ein paar „BBC Sessions“. Ich war nie „Fan“ von Pink Floyd, fand aber scho auch faszinierend, wie die es mit einer doch so unkommerziellen, oft sogar wenig unmittelbaren Musik zu den meistverkauften Mainstream-Bands überhaupt geschafft haben. Da haben sie sicherlich einen singulären Status. Vielleicht haben sie irgendwie sehr geschickt verschiedene nicht-popkommerzielle Strömungen ihrer Zeit gebündelt und fürs breitere Publikum geöffnet, vielleicht auch verbunden mit einer klugen visuellen Präsentierung der Musik (u.a. dank der ikonischen Albumcovers).

  • Olaf Westfeld

    Ja – sehr interessanter Austausch.
    Tangerine Dream habe ich „gerade erst“ (= in den letzten 2-3 Jahren) für mich entdeckt; den bleibendsten Eindruck haben „Phaedra“ und „Zeit“ hinterlassen (die eine Seite, ich glaube die erste, ist nicht von dieser Welt). Von Pink Floyd habe ich in diesem Jahr „Ummagumma“ gehört und war erstaunt, wie gut die ist. Ansonsten stehen hier noch „Piper“, „Relics“ und „Wish you…“ rum – letztere habe ich irgendwann im letzten Jahr mal aufgelegt und sehr schnell wieder ausgemacht. „Animals“ hat mich mal bei einem Freund so begeistert, dass ich sie erst wieder hören wollte, wenn ich sie selbst besitze – na ja, dass muss in den 90ern gewesen sein, der Kauf steht noch aus.
    Und dann streame ich seit einem Jahr immer mal wieder ein paar dieser Genesis Hits aus den späten 70ern bis frühen 90ern. ZUm Teil mochte ich die damals gar nicht, aber irgendwie gefallen mir da jetzt einige von.

  • Martina Weber

    Inzwischen habe ich „The Lamb Lies Down On Broadway“ auf meinem Doppelvinlyalbum aus dem Jahr 1974 nochmal gehört und dabei die Texte mitgelesen. Ich habe es, wie gesagt, deutlich später entdeckt, und ich kann meine damalige Begeisterung immer noch nachempfinden. Das Album zu hören war eine tiefe Erfahrung. Genesis hat versucht, jeden Track musikalisch etwas anders zu gestalten. Die Lyriks müsste ich noch ein paar Mal lesen, um mich angemessen darüber äußern zu können, aber, wie angedeutet, sind das nicht greifbare magisch-mythische Erfahrungen, archaische Bilder und Szenerien, mit einem Alltag der 1974er Gegenwart verbunden. Viele Andeutungen stecken im Text, beispielsweise der biblische Jonas im Bauch des Wals, Anklänge an Gedichte, etc. Mit dem Hinweis, dass die Songtexte nicht angemessen ins Deutsche übersetzbar sind, befindet sich in der Plattenhülle eine Doppelseite Papier mit einer sinngemäßen Wiedergabe des Handlungsablaufs in deutscher Sprache mit dem Vermerk „übersetzt von Petra Gehrmann“. Die Sprache ist hier sehr bombastisch und hat nicht annähernd die unmittelbare und poetische Wirkung wie die englischen Lyrics. Im Prinzip handelt es sich bei den Lyrics inhaltlich um eine Art einer Selbstfindungsreise. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Genesis mit C.G. Jung, aktiver Imagination, Meditation und ähnlichen Techniken beschäftigt haben; das war damals ziemlich hip. (Viele Bücher zu diesen Themen stammen aus der ersten Hälfte der 70er.) Da die Qualität des Vinyls nicht mehr so gut ist, überlege ich sogar, das Album nochmal als CD zu kaufen.

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