Annie and The Caldwells (Teil 3)
„Eighty years ago, in April 1945, Sister Rosetta Tharpe was Number 2 on the Billboard “race records” chart with Strange Things Happening Every Day – fair comment for the month in which Franklin D Roosevelt, Mussolini and Hitler all died. There were also several noteworthy musical events: Richard Strauss completed Metamorphosen; Rodgers and Hammerstein’s Carousel opened; the audience at a hometown performance by the Berlin Philharmonic were offered cyanide as they left the auditorium; and Tharpe’s hit was the first gospel record to reach that Billboard countdown.“ (David Hutcheon, Mojo, 4/2025)

Jetzt wird‘s persönlich, und weihnachtlich, einen Tag vor Pfingsten. Eine meiner „Repertoire-Stories“, aber „mit Butter bei den Fischen“. Die schönsten Weihnachtsgeschenke bekam ich 1970 oder 71, als ich 14 oder 15 war. Ich hatte mir vier Schallplatten gewünscht, und bekam sie in meiner materiell erfüllten Kindheit (die auf anderen Ebenen pure Alpträume bereithielt): Miles Davis Live At Fillmore, Joni Mitchells Blue, Live At Fillmore East von den Allman Brothers, und, nicht lachen, Live At Filmore von Aretha Franklin.
Heimlich schlich ich mich vor den Festtagen in das Schlafzimmer meiner Eltern, und entführte „Blue“ in mein Kinderzimmer: verboten jung und grün hinter den Ohren, wie ich war, ist es erstaunlich, wie sehr manche Kids wie ich (die wohl schon im Mutterleib der schönsten „Musik des Gurgelns und Rauschens“ lauschten), so früh Schätze fürs Leben entdeckten.
Natürlich hatte ich nicht ansatzweise den Erfahrungsschatz von Joni Mitchell, und es war wohl Intuition, viel Vorahnung im Spiel, aber auch das Erleben purer Magie, als ich „Blue“ auflegte und am liebsten in die Lautsprecher gekrochen wäre vor Glück! Ähnlich erging es mir mit den Allmans, und mit dem „elektrischen Miles“. Aber, bei allem Respekt, die grosse Aretha Franklin und ihr Soul lieseen mich eher kalt zurück, genauso wie der Moment, als Ray Charles auf die Bühne sprang. Soul und Gospel liessen mich meistens unberührt. Oder lösten Widerstände aus. Was war da los? Aufklärung im folgenden und finalen vierten Teil, zuvor aber die Fortsetzung von Alexs Besprechung:
„Der Gesang ist rau, aber perfekt abgestimmt; es gibt eine Art telepathisches Zusammenspiel zwischen Annie Caldwells Gesang und den Harmonien ihrer Töchter während der improvisierten Abschnitte des langen Titeltracks und Don’t You Hear Me Calling. Das gilt auch für die Band, die es irgendwie schafft, sowohl extrem tight als auch spontan zu klingen: Wenn die Band, wie Deborah Caldwell behauptet hat, „nicht übt“, dann sind ihre Auftritte hier eine Werbung für den Verfeinerungseffekt, den das Spielen in der Kirche jeden zweiten Sonntag hat.
Es sind großartige, kraftvolle, bewegende Songs, die durch die Tatsache, dass sie live, ohne Publikum, in einer Kirche in der Heimatstadt der Band, West Point, Mississippi, aufgenommen wurden, noch stärker wirken. Die schlichte Produktion gibt Can’t Lose My (Soul) das Gefühl, als würde es direkt vor Ihren Augen passieren, und verleiht den Songs Lebendigkeit und Dringlichkeit, besonders in den extemporalen Momenten. Erfreulicherweise wird die Art von Fake-Antiquitäten vermieden, die oft auf Soulmusik des 21. Jahrhunderts angewandt werden, die in der Vergangenheit verwurzelt ist, als ob sie versuchen würden, den Hörer davon zu überzeugen, dass er ein lange verschollenes Album hört.“
(Finale folgt bald)
Ein Wort zu Alex Petridis: ich lese gerne seine Besprechungen im Guardian, sofern mich die besprochenen acts interessieren. Ich stimme des öfteren nicht mit seinen Bewertungen überein, was ja wohl normal ist (richtig Ärger bekommt er wenn er LUMINAL nur drei Sterne gäbe – ein Witz😉!) aber ich mag seine Schreibe, seinen Witz, und seine profunden Kenntnisse. Meine Lieblingsmusikjournalisten (neben Richard W.), was Interviews und grosse Musikfeatures angeht, sind Laura Barton und Sam Phillips, die vorzugsweise in Mojo und Uncut veröffentlichen. Sie bringen Musiker dazu, sich zu öffnen, und sind selbst gute Storyteller!