Ensaïmada

Wann immer mit die Gegenden von Málaga und Marbella begegnet sind: sehr warmes Wetter schien das Normale zu sein, in Reiseführern und Wetterberichten. In diesen Tagen ist eher frisches Frühlingswetter angesagt, und als ich heute Morgen eine mallorcinische Bäckerei entdeckte, tauchte jenes Gebäck auf, das unvergesslich mit meinen grossen Ferien in Teenagerjahren verbunden ist: Ensaïmada. Es wird normal mit Sauerteig gemacht, finde ich heraus, es geht aber angeblich auch mit reiner Hefe. Der Geschmack ist so speziell, warum auch immer, dass er einen an nichts anderes erinnert.


Und damit kommen – auch ohne die Form dieses Teilchens einer psychoanalytischen Betrachtung zu unterziehen (Triggerwarnung: Vertigogefahr bei zu langem Anschauen des Objekts!) – unweigerlich jene alten Bilder und Empfindungen zu Bewusstsein, aus einem lang vergangenen Urlaub dort (die bei mir schon den Status einer „Repertoirestory haben): Lex Barker und Mario Adorf geniessen ihren Salat am Swimmingpool (es hat etwas Besonderes, als Jugendlicher alten Karl May-Helden zu begegnen), Superminister Karl Schiller dreht im Pool langsame Runden mit seiner Geliebten, die seine Sekretärin ist, unbelästigt von der Bild-Zeitung (ein lang verschwundenes Agreement), eine meiner gefühlvollsten Ferienfreundschadten mit Peter von den österreichischen „Judokas“ und endlosen Partien Tischtennis (jenseits homoerotischer Schwingungen) , der Abtransport einer Leiche eines älteren Herrn nach einem Suizid („Depressionen“ ist das Wort, das sich schnell verbreitet), der Soundtrack der Eltern der „Wirtschaftswunderjahre“, Neil Diamond, Frank Sinatra, James Last, und immmer wieder „Spanish Eyes“ (oder heisst dieser „golden Oldie“ „Spanish Harlem“), mein Versunkensein in Albert Camus‘ Roman „Die Pest“ (mehr Gegenwelt geht kaum in jenem künstlichen Paradies eines abgelegenen Luxusressorts).


Eine Atmosphäre von Luxus, die mich heute an die drei Staffeln von „The White Lotus“ erinnert, die nun ihr vielbesprochenes, furioses Finale erreicht hat, das blutige Finale, dem David Steinitz in der SZ und ich hier im Süden immer noch viel Gutes abgewinnen können. Den Showdown von Lebensentwürfen in Marbella zu erleben, in spanischer Synchro, ist speziell, habe ich mich doch an das Timbre der deutschen Synchronstimmen gewöhnt, von Walter Goggins (manchen bekannt aus den grandiosen sieben Staffeln von „Justified“) bis Corrie Coon (manchen bekannt aus dem dreistaffeligen Serienmeisterwerk „The Leftovers“). Was so ein mallorcinisches Gebäck alles an Gedankenketten auslösen kann! Selbst diese kleine Schreibmeditation mit drei Serientips, und einer (nicht weiter ausgeführten, aber uneingeschränkten) Buchempfehlung. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt hier in Marbella in den kommenden Tagen keineswegs Null Prozent. (Music for pool swimming and gazing at the sky today: Carla Bleys „Tropic Appetites“, mein Lieblingsalbum von Carla, mit einzigartigen Gesängen von Julie Tippetts, jedes Stück eine Offenbarung!)

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