Wetterscheide

Mein grosser Held veröffentlichte 1986 einen Song namens „A Quiet Life“, und, bereits ein begnadeter Aussenseiter, als er seinen modeverrückten Bruder auf der Carbanby Street begleitete, sagen wir 1966, blieb er sich auch später treu in seinem Blick auf Elementares. Wir frühstücken gerade, und die beiden Mädels richten schon mal den Blick nach Malaga Ende April. Da ist natürlich Sonnenschein garantiert, so wie Regen in Wuppertal, bei mir ist die Lage nicht so klar. Habe alle meine Wetterprognosen für Lanzarote in den ersten sieben Tagen im März parallel geschaltet – ernüchternd. Dagegen ist das Wetter auf Sylt und Langeoog verlässlich kühl und wechselhaft. Und plötzlich landen wir bei Urlaubsgeschichten, die in den grossen Sommerferien im Norden der alten BRD immer auch Dünenschleichwege waren, Verliebtheiten, Kissenschlachten, Fahrradausflüge zur Meierei im Ostland, Wattwanderungen mit Würmern, Halmatage im Hotel, und morgendliche Spaziergänge zu den neuen Kinoplakaten mit Abstechern zum Kiosk. Und so deutet auch jetzt alles auf die Scholle „Finkenwerder Art“ statt auf Mojo rojo und Mojo verde. Einmal mit 14 und meinen Eltern in Westerland, Bilderbuchsommerwetter, Tag für Tag, auch Milchreis mit Zimt, der Wellengang aber recht zimperlich, und mir war seltsam langweilig, ein Urlaub ohne Schwärmerei, Lieblingsbücher, neue Freunde – der einzig magische Moment war im ersten Anflug ein mächtiger Schreck: der Kauf einer „Bravo“, mit entlarvenden Fotos, wie sich zwei meiner „heroes who never die“ auf der Bühne prügelten, sturztrunken. Der Kioskbesitzer hatte ein Transistorradio, und als ich den Artikel im Stehen verschlang, ertönte aus dem kleinen Lautsprecher und dem Schatten seiner Bude die vertraute, absteigende Basslinie von „Sunny Afternoon“, und die Welt war für ein paar Minuten unverwundbar.

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