Enos Songseminar (1/5) – „Spiel mit verdeckten Karten“
(1) Alles, was ich in dieser Woche schreibe, findet sich hier, und dreht sich, in engeren und weiteren Umlaufbahnen, um Brians erste „lecture“. Das heisst, dieser Text wird immer wieder mal ergänzt. Eher ein Wimmelbild voller Gedanken als ein ausgefeiltes Mosaik. Zeitgleich mit dem Webinar habe ich mit einer Psychologin eine „Luzide Traum-Gruppe“ ins Leben gerufen, die sich einmal pro Woche trifft.
(2) Wie schön, dass Brians Vortrag mit einem „reality check“ begann. Das machen wir, die wir luzide Träumer lieben, täglich. Alle Songs, die in diesem Text auftauchen, sind in irgendeiner Art Teil der Vorlesung, oder höngen assoziativ damit zusammen. Ein Paradestück eines ex-zentrischen Liedes von Richard Dawson wird hier genauso viel Sinn machen wie ein italienisches Fischrezept und eine Erinnerung an Brians „Spider and I“. Oder dieser seltsame Song aus dem Jahre 1957: The Silhouettes: Get A Job …
(3)„The best thing of getting ahead is to get started.“ Dieser Satz von Mark Twain hätte hervorragend in die erste Vorlesung gepasst. In voller Länge: American writer Mark Twain commented, “The secret of getting ahead is getting started. The secret of getting started is breaking your complex overwhelming tasks into small manageable tasks, and starting on the first one.”
(4) In Berlin sassen Eno und Bowie zusammen und arbeiteten an einem Track, der später „Moss Garden“ heissen sollte. Als Inspiration zog jeder der beiden – verdeckt – eine Karte aus den „Oblique Strategies“. Und ohne den Inhalt auszutauschen, versuchte jeder, der jeweiligen Anweisung, die im nachhinein ziemlich widersprüchlich erschienen, nachzukommen.
(5) Eine Art Hassliebe pflegt Eno zu Songlyrics. Zu leicht ziehen sie seiner Meinung nach die Aufmerksamkeit von dem Klängen auf die Worte, den Sänger, die Bedeutung. Er stellte diverse Strategien vor, diese Bedeutungseben auszuhebeln, von „unsinnigen Wörtern“, wie sie auf „Get A Job“ auftauchen, über andere Limitierungen, die einen frischen Zugang zu Wörtern als Klang befeuern. Es ging um die Klangmuster englischer Glockenspiele, um Haikus – und folgendes kleines Gedicht von Rick Holland hätte auch auch wunderbar in diese erste Vorlesung gepasst:
Vaults
Danil Pulin and young I sub stars
Daniel Pulin sad
I accompanying in proximity to his pain
I so young, Danil so sad.
But both aghast at upwards vast
Backs to a flint wall
Sitting on cold grass
So far from familial warmth
Of any kind
Gazing up - Danil talks of star magic
and Star shoots that instant across a vast night sky
Both of us GASP
Danil is an outcast, glass, short sight, so solo
I accompanying - through my own odd
Two young boys and a night-time
Star magic upwards
Danil Pulin and Stars (a writing exercise in not using letter ‘e’ – prompt from Roger Robinson book ‘On Poetry’)
(6) Damit das alles nicht ausufert, arbeite ich in meinen „fünf langen Echos“ auch mit einer klaren Spielregel. Jeder Subtext wird mit fettgedruckten Buchstaben markiert. Ich sollte mir also gut überlegen, was ich aufgreife, weiterspinne, was nicht. Denn nach 12 ist Schluss. Und dieses sechste Echo ist somit schon mal sinnfrei verschossen.
(7) Als kleines Schmankerl befasst sich „das siebte Echo“ mit einem Fischrezept, das zu einem wiederkehrenden Ritual deines Alltags werden könnte. Wenn Richard Dawson einen Song schreiben kann über den Zauber von Kleingartenanlagen – HIER – aus seinem im Februar rauskommenden Album „End Of The Middle“, wird mir sicher ein feines Loblied auf ein Kartoffelbett gelingen: und diese Kreation hat zudem ein bisschen was mit Enos Webinar zu tun, geht es doch zuweilen um „breaking the routine“ sowie minimalen Imput mit maximalen „Impact“. Aber hier nun das, was dein Leben verändert:
Wenn ihr euch die Zutaten für das folgende Rezept besorgt, und es sind nur wenige Zutaten, kommt es auf die Details an. Die geschälten Kartoffeln (mit Hilfe einer Mandoline) in feine Scheiben schneiden. Um den Kartoffeln etwas die Stärke zu nehmen und aie davor zu bewahren, im Ofen zu sehr zu verschmelzen, kann man die Scheiben einfach in kaltem Wasser abspülen. Aber auch ohne diesen Schritt geraten sie sehr gut, nur halt etwas cremiger. Am besten, du probierst beide Varianten aus und entscheidest dann, was dir besser schmeckt.
Knoblauch und Ptersilie fein hacken und mkteinander vermengen. Unbehandelte Zitronen gut waschen und einige wenige feine Scheiben davon herunterschneiden, um sie unter die Kartoffelscheiben zu mischen. Die genaue Menge findest du schon selber raus, je nach der Grösse deines Bleches. Die Kartoffeln und die Zitronenscheiben auf eben diesem Blech oder in einer Gratinform ausbreiten und salzen. Einen Teil der Knoblauch-Petersilie-Paste darüber verteilen und grosszügig supergutes Olivenöl hinzufügen. Mit deinen Händen alles gut miteinander vermengen, sodass Kartoffel- und Zitronenscheiben von Salz, Olivenöl, Petersilie und Knoblauch überzogen sind. Uff, das wäre geschafft!
Die Kartoffeln nun in den auf 180 Grad vorgeheizten Ofen schieben und schon einmal vorgaren. Je nach Menge und Dicke dauert es 10, 15 Minuten, bis die Kartoffeln weich im Inneren und an den Rändern golden und knusprig werden. Damit sie gleichmässig garen, kann man sie zwischendurch einmal umschichten. Während Kartoffeln tendenziell gar nicht gar genug sein können, ist Fisch oft sehr viel früher gar, als du denkst. Bleibt er nur zwei Minuten zu lang im Ofen, gerät er trocken, und sein Potential ist ruiniert.
Nun also zum Fisch: du kannst so gut wie jeden nehmen, und wenn dir das Rezept einmal in Fleisch und Blut übergegangen ist, wirst du Fisch nur noch selten anders zubereiten wollen, versprochen! Die Einfachheit dieses Rezepts ist genial: zu einem bestimmten Zeitpunkt legst du den Fisch als ganzen auf das Kartoffelbett. Die mitsen oben genannten Zutaten aromatisierten Kartoffeln geraten knusprig und cremig, die Zitronen karamelisieren an ihren Rändern leicht und liefern eine feine Süsse und Säure. Der Fisch bleibt bei sich, und darf seine ganze Frische und Qualität zeigen.
Wähle einen Fisch, der sich in glänzender Frische mit prallen, glasklaren Augen präsentiert. Steibutt, Seelachs, Rotbarsch, Wolfsbarsch, Dorade, Saibling, Forelle, whatever – auf einem Kartoffelbett fühlt sich jeder Fisch wohl (das gilt natürlich auch für Filets). Wichtig: den gewählten Fisch auf der Oberseite mit einem scharfen Messer mit wenigen parallelen Schnitten einschneiden und etwas von der Petersilie-Knoblauch-Mischung darauf verteilen. Auch das Innere des Fisches damit einreiben.
Den Fisch des Vertrauens auf den fast garen Kartoffeln platzieren, und unter wachsamer Beobachtung zwischen fünf und fünfzehn Minuten garen lassen. Zwischendurch an der dicksten Stelle einmal vorsichtig einstechen und den Gargrad kontrollieren. Den perfekten Gargard erkennt man daran, dass das Fleisch nicht mehr ganz durchsichtig, aber noch etwas glasig und überaus saftig ist. Und dann, ratzfatz, das Blech sofort aus dem Ofen nehmen, und heiss auf die Mitte des Tischs stellen. (sorry, Jan from Pittsburgh that you can‘t join the party with your allergy – but what about a T- Bone Steak (that reminds me of the beautiful Neil Young song with minimal lyrics and smashed potatoes! And back we are in song territory!)
(8) Die erste „lecture“ begann also mit einem Traum. Brian wurde vo einem dunklen Uber in immer fremdartiger wirkende Regionen Südlondons gefahren, die ihm völlig unbekannt waren. Der Fahrer trug eine eigenwillige Haarpracht. Am Ende der Fahrt öfnete, so erinnere ich es, eine korpulente Frau die Tür, und fragt Eno: „Are you the speaker?“. Tatsächlich, enthüllt Brian, sei dies gar kein Traum gewesen, sondern eine reale Erinnerung an eine Fahrt an ein Kunstinstitut, in dem er einen Vortrag hielt. Anschliessend ermunterte er alle Teilnehmher, sich in der Folge zwei kurze Filme anzusehen, und sich von ihnen zu einem kleinen Song anregen zu lassen. Man möge alles Urteilen vermeiden, und ganz frei den Angeboten der eigenen Empfindungen und Assoziationen folgen. Man bekam zu dem zu entwickelnden Lied ein paar schriftlich formulierte Ideen mit auf den Weg. Danach gäbe es eine zehnminütige Pause, die man nach diesem Kraftakt entspannter Imagination auch nötig habe. Einer dieser Sätze lautete (wiederum ging es darum, Konventionen auszuhebeln): „Ein Song kann aus nur einem einzigen Wort bestehen“. Das hat fast Koan-Qualität, dachte ich mir und summte ein launiges „Ommmm“ vor mich hin.
(9) Was für mich so faszinierend ist: in der Tradition jener britischen Kreativschmieden, an denen Eno Kunst studierte, unterrichtet er hier auch. Alles ist durchdacht, aber nicht in kleinen akkuraten Bausteinen zusammengesetzt. Brian stromert durch seinen eigenen Wissens- und Erfahrungsfundus, und dockt, quer durch die Jahrzehnte, an alten und neueren Liedern an. Und ich kenne diese Songs soooo gut. Eine Freude, zu hören was er über die Songtexte von „Spider and I“ und „Miss Shapiro“ kundtat! Unterschiedlicher können zwei „lyrics“ kaum sein. Und so gleite ich mit Brian vorwärts und rückwärts durch die Jahrzehnte. Durch gelebtes Leben hindurch, und bleibe dabei, im Idealfall, erfinderisch statt nostalgisch!