Lagerfeuergeschichten


Manchmal das Glück“ – unter diesem Titel erschien vor einigen Wochen das literarische Debüt von Ulrike Sabine Maier im PMLakeman Verlag: 17 Kurzgeschichten, die im Zeitraum von 2007 bis 2024 in Anthologien und Literaturzeitschriften erschienen sind und von denen einige Preise erhalten haben, eine davon den Putlizer Preis des Autorenverbandes 42er. Die Sprache ist in allen Geschichten poetisch, bildreich und ausdrucksstark. Die Themen kommen aus dem sozialen Umfeld, der Familie und der eigenen Geschichte der Figuren. Diese schleppen die prägendsten Momente mit sich, sie werden die Gespenster nicht los, verschüttete Erinnerungen, und immer wieder dachte ich an ein Zitat aus dem wunderbaren Film „Magnolia“: „Wir haben mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber die Vergangenheit nicht mit uns.“ Und doch kommt der Humor nicht zu kurz. „Was ich in der Hand hielt, war eine Waffe ohne Patronentrommel, die wir auf einem Flohmarkt aufgetrieben hatten. Wider allen Erwartungen funktionierte die Beschaffung des Geldes ohne Verzögerung. Die Frau hinter der Glasscheibe übergab mir mit leerem Blick die Geldscheine, als hätte sie genau das erwartet. Von ihrem Leben. Einen munitionsfreien Überfall. Und nichts anderes.“ Ich stelle mir einen langen Leseabend aus diesem Buch vor, auf einem verwilderten Grundstück, im Herbst, während Holz für ein Lagerfeuer zusammengetragen wird, bis es weithin leuchtet. Es gibt nur wenige Geschichten aus dem Band, die noch bei Dämmerung gelesen werden können. Für andere Stories muss das Feuer brennen. Während wir wiederum anderen Geschichten lauschen, starren wir reglos in die Glut. Und dann gibt es Geschichten, die nur erzählt werden können, wenn es vollkommen dunkel geworden ist. Oder, wie es bei Ulrike Sabine Maier heißt: „Manche Geschichten bedürfen der Dunkelheit, um erzählt zu werden. Manche Geschichten bedürfen der richtigen Zeiten, um angeschaut zu werden. Manche Geschichten haben Wunden gerissen, die nicht bei Licht angeschaut werden können. (…) Das sind die Zeiten der Erzähler, der Dichter, um zu versöhnen, was offen lag.“

5 Kommentare

  • flowworker

    Da denke ich natürlich auch gleich an Musik, die besser im Dunkeln zu hören ist. Wie

    like the sky i‘ve beeen too quiet von ganaya
    bleed von the necks
    silent, listening von fred hersch.

    Und was wohl der geheime Soundtrack dieses Bandes wäre?

    m.e.

  • Martina Weber

    Am ehesten würde ein Mixtape passen. Es gibt übrigens auch zwei Krimitexte in diesem Buch.
    Und es gibt einen Song, der in einer der Stories vorkommt. Voilà:
    „Ich pfeife vor mich hin. Boomtown Rats. `I don’t like Mondays.´ Mäuse rascheln durch überwuchterte Gärten. Keiner will hierherziehen. Nur die Italiener spazieren hier manchmal entlang und grüßen beim Vorbeigehen.“

  • Olaf Westfeld

    Dieser Satz aus Magnolia hat sich bei mir auch eingebrannt. Ein Film, den ich 2x im Kino und dann mehrmals zu Hause auf DVD (oder war es noch VHS?!) gesehen habe – aber das ist wahrscheinlich auch schon wieder 20 Jahre her. Denke immer mal wieder daran, mir den mal wieder anzuschauen.

  • Martina Weber

    Es wundert mich nicht, dass du den Film schon so lange kennst. Bei mir ist es nicht so lange her, dass ich ihn zum ersten Mal sah, erst auf einer DVD, ausgeliehen aus der UB, und dann sofort die DVD gekauft und schon mehrmals gesehen. „Magnolia“ hat so eine große Tiefe! Die „Positionen/Personentypen“ der Hauptfiguren wurden zweifach vergeben, zum Beispiel haben wir zwei Mal eine Person, die erfolgreich bei Quizzshows ist bzw. war, einmal der Junge, der sogar eine italienische Arie singen kann, und dann der Midlife-Mann, der vor langer Zeit ein Kinder-Quizzshosstar war und sich in der Bar in den Barkeeper mit Zahnspange verliebt, während Goodbye Stranger von Supertramp läuft, das ganze Stück. (Deshalb habe ich die CD wieder aus dem Regal geholt.) Ich erinnere mich auch gern daran, wie alle Figuren den Song wise up singen (it’s not going to stop till you wise up) und dadurch verbunden sind, so weit sie auch voneinander entfernt sind. Der Froschregen am Ende. Und Tom Cruise, dessen Machorolle zwischen seinen Händen zerrinnt: das ist ganz großes Kino.

  • Olaf Westfeld

    Ja, das gemeinsam-einsame Singen erinnere ich gut, der Froschregen ist sowieso unvergesslich.
    Allerdings habe ich die „Goodbye Stranger“ – toller Song! – Untermalung nicht mehr auf dem Schirm (die Erinnerung an den Bartender mit der Zahnspange ist dafür sofort wieder da).

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