“Die glorreichen 10“

Jede Interpretation hat etwas von faktengefütterten Märchen. Filmkritiken und Filmanalysen sind Storytelling auf der Meta-Ebene. In allen „Versionen dieser Art“  werden  – hört, hört – Versionen erzählt. Aber alles, was auf einmal allzu schlüssig erscheint, verliert seinen magischen Mehrwert. Ich mochte die Filmkritiken von Peter Buchka in der Süddeutschen Zeitung, damals, in dem Studentenjahren, wenn er die Wim Wenders-Filme besprach. Ganz einfache Sprache, voller Leerräume für unsere Fantasie. (Jedenfalls erinnere ich diese Texte so, die dann wochenlang, bis der Gilb kam, in den Schaukästen des City-Kinos ausgestellt waren. Da wurde man auf jeden Fall nie verschlaumeiert). Schön, dass es Filme gibt, die in Zwischenräumen des Ungreifbaren ihren wahren Raum finden. Auch wenn sie hier und da altes Gerümpel aus alter Zeit mitschleppen. Schon klar, den „unschuldigen Blick“ gibt es nicht, jede Wahrnehmung ist gefiltert. Aber es gibt einen entspannten, frischen, unverbrauchten Blick, zum Beispiel  auf all diese zehn wunderbaren Filme, ob sie nun klassische Western sind, neo oder postmodern.  Sie alle bieten etwas Besonderes an, wenn man sie mit neugierigen Augen und  geschärften Sinnen (in einem progressiven Sinne „unaufgeklärt“) „in sich  aufnimmt“:  das pure Spiel, das Ausprobieren anderer Wirklichkeiten,  das Entgrenzen geschlossener Räume, die reine Erschütterung (also die alte Tante griechisches Drama (was einst Chor war, wurde Soundtrack), die „Aktivierung“ des kreativen Unbewussten in  einem Akt von Erleben, Hingabe, „Surrender“ (auch mittels vertiefender, doppelbödiger oder dramatisch gegenläufiger Musik). Wir sind  klug genug, in diesen seltsamen „twilight zones“ unser eigenes, anrührendes Theater der Träume freizulegen. Voller Nachhall und Tiefen. Modelle für ungelebtes Leben. Schnittstellen.  Es gibt die Liebe zum Fremden auf den ersten Blick. Es ist 1970, ein Tag in meiner Kindheit. Der Stummfilmpianist betritt das alte Kino in der Brückstrasse. Das Abenteuer kann beginnen. 

  1. Goldrausch (Charlie Chaplin)   
  2. Die glorreichen Sieben (1960)
  3. The Good, The Bad, and The Ugly 
  4. Dead Man  
  5. Silverado 
  6. McCabe & Mrs Miller 
  7. True Grit 
  8. 3:10 to Yuma  
  9. Shane  
  10. Der Mann, der Liberty Valance erschoss 

3 Kommentare

  • Martina Weber

    Dein Text enthält wunderbare Sätze über die Magie des Kinos. Zur Vorbereitung meines Textes über „Perfect Days“ hatte ich mir über den Sommer einen ganzen Stapel an Büchern über Wim Wenders und seine Filme aus der UB ausgeliehen, zum Querlesen oder Festlesen und um auf Ideen für meine eigene Betrachtung zu kommen. Am besten gefiel mir ein Buch von Peter Buchka aus dem Jahr 1983: „Augen kann man nicht kaufen“. Du beschreibst Buchkas Stil sehr treffend mit: „Ganz einfache Sprache, voller Leerräume für unsere Fantasie“.

    Western sind als Genre nicht so meins. Wobei: vor ein paar Monaten habe ich einen gesehen, der tatsächlich vollkommen anders ist und über den ich hier schon längst hätte schreiben wollen, aber wie es dann eben so ist …

    Von deiner Liste kenne ich nur ein paar Titel, nicht die Filme. Gesehen habe ich vor allem einige Western aus der Sammlung der Süddeutschen Zeitung, erst vor ein paar Wochen „The Wild Bunch“. War aber nicht so, dass es mich motiviert hätte, im Genre zu bleiben.

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