Was so alles aus dem Nichts auftaucht


Seit Toni mit seiner Lebensgefährtin in diesem Haus in der ostfriesischen Provinz lebt, ist dies sein Musikzimmer, in das er sich vorzugsweise abends zurückzieht, um auf Klangreisen zu gehen. Die „Klanghorizonte“ hört er seit 1993. Seine feine Stereoanlage besticht mit der Transparenz und dem natürlichen Klangbild, die man von Manger-Lautsprechern und einem Klassiker unter den britischen Vollverstärker (Sugden) erwarten kann. Der Blick aus den beiden Fenstern ist ein „Traum von einem Blick“, als Kontrapunkt zu den musikalischen Abenteuern. Ich griff, nach kurzer Sichtung seines „ECM-Regals“, zu Eberhard Webers fantastischer Arbeit „Chorus“ und sank auf Anhieb noch etwas tiefer in den Hörsessel. Schon beim ersten Stück ist man verloren, im besten Sinne: wenn die Melodielinie und die Weberschen Basspulse auf einmal verstummen und einem elektronischen Bordunton Raum geben, bricht aus dem Nichts Jan Garbareks Saxofon hervor, sein Solo nimmt so gefangen wie beim ersten Hören im alten Jahrhundert. Einmal, es ist nur wenige Jahre her, da kam dem Blick nach draussen alles Besänftigende abhanden: die Welt verdunkelte sich für eine kurze Weile. Tonis Frau war auf dem Heimweg, und hatte schon die Ortsgrenze von Ostermoordorf erreicht, da schossen aus allen Richtungen Kastanien auf ihr Auto. Dann flogen Bäume ringsum wie Mikadostächen durch die Luft – wie mit einem Schraubendreher wurden sie aus dem Boden gedreht. Die pure Unheimlichkeit, und ein Riesenglück, dass sie in ihrem kleinen Panda mit dem Leben und Schrecken davonkam. Bei einem köstlichen Apfelstrudel, Tee mit Kluntjes, und der Hündin des Hauses im Hintergrund, einem grossen schwarzen Schnauzer, sassen wir beisammen und erzählten uns Geschichten. Und einige handelten eben von Dingen und Klängen, die aus dem Nichts auftauchen. Wie etwa Freunde zu finden, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt. Verbundenheiten.

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