Beschte Gedanken von letschter Woche

Frage mich oft, woher eigentlich die Mode kommt, dass E-mails, Forumskommentare und dergleichen gerne ohne Subjekt verfasst werden. Kann ja nichts mit Zeitersparnis oder praktischen Gründen zu tun haben, da diese Nachrichten meistens nicht durch Kürze bestechen. Habe dies vor vielen Jahren erstmals bei einem Bekannten wahrgenommen, der in der DDR geboren wurde [neudeutsch: ist] und aufgewachsen ist [wurde?]. Schrieb sehr häufig Mails und andere Nachrichten ohne „Ich“. Nahm selbiges später auch bei anderen Menschen aus der ehemaligen DDR wahr, dachte daher, es handle sich dabei vielleicht um ein Produkt kommunistischer Sozialisation: „Ich“ soll keinen so großen Raum bekommen. Aus meiner (süd-)westdeutschen Sozialisation war mir diese Angewohnheit vollkommen unbekannt. 


Beobachte diese Gewohnheit seither stetig, in den Folgejahren allerdings auch bei vielen anderen Menschen, die nicht sozialismussozialisiert waren [sind?], sondern im Kapitalismus aufwuchsen. Nahm seither sehr häufig auch wahr, dass viele Menschen diese Praxis auch bei „wir“ und „sie“ (Plural) anwenden, was nicht selten zu eigenartig verwirrenden Formulierungen führt, wo man manchmal erstmal gar nicht versteht, ob nun von der ersten Person Plural oder anderen die Rede ist. Muss als Leser dann erst mal nachdenken, von wem da gerade die Rede ist. Passiert in Folge von Weglassen des „Ich“ ja häufig auch, dass man einen Satz erstmal als Aufforderung/Ansprache missversteht. Ist mir schon häufiger passiert, dass ich erst nicht wusste, was der oder die Schreibende sagen wollte. Wäre doch einfacher, da ganz banal ein „Wir“ oder „Ich“ zu schreiben, bevor man seine Leser unnötig vor Denksportaufgaben stellt, denk ich mir. Überleg dann und wann, ob es nicht eigentlich ein normales Zeichen von Höflichkeit ist, wenn ein Schreiberling beim Schreiben, will sagen beim Kommunizieren, zumindest so viel Mühe investiert, dass man dem Gegenüber das Verständnis nicht unnötig verkompliziert, wenn es doch ganz einfache Sprach- und Kommunikationsregeln gibt. Aber ja, klar: jeder, wie er mag. Oder wie sie mag natürlich. 


Weglassen des Subjekts ist allerdings nicht die einzige Skurilität, die ich an Satzanfängen beobachte. Oft, dass Menschen auch andere Wörter am Satzanfang einfach so weglassen. Mal nur eines, manchmal aber auch mehr. 
Paar Beispiele aus meinem Archiv. Füttere dieses gelegentlich, wenn ich mich in Online-Foren herumtreibe:

„Ganzen Tag putze ich.“ / „ganzen Tag bin ich draussen unterwegs.“ / „Ursprüngliche Satz stimmt so.“ / „Teuerste Schild war Littering mit 1000 $“ / „Zweite Jahr in Folge das Radisson ausgewählt.“ / „Beste Kommentar seit langem.“ / „Problem ist, persönliche Erfahrungen sind, so schrecklich diese auch tatsächlich sind, nichts mehr als persönliche Erfahrungen.“ / „Freund von mir war auch in Riga und kann das so bestätigen.“ / „Größte Problem sind die Akkus.“ / „Als Kind darin gespielt und sogar einen Helm gefunden.“ / „Gute ist ich habe gar keinen Sohn, Nachteil ich hab ne Tochter die irgendwann mit sowas Konfrontiert wird.“ / „Neuesten beide Alben nicht gehört, (…)“ / „Sweet Harmony fand ich das Video immer eklig irgendwie als Teenager, (…)“ / „Vieles interessantes durch ihn entdeckt.“ / „Metal hab ich einiges dabei.“

Besondere Kurzform dieser Weglassen-Laune ist dann die Formulierung „Beste!“, wahlweise auch „Beschte“. Online-Foren nicht selten anzutreffen. Es um Tonträger oder Filme geht beispielsweise. Bis heute nicht herausgefunden, woher diese Formulierung eigentlich kommt und frage mich dann im Geheimen immer: „Beschte was?“ – Beschte Film, beschte Flughafen, beschte Monat, beschte Katzenfutter? Beschte Reschpecktsbekundung vermutlich. Habe nämlich auch mit Fragezeichen im Kopf unzählige Male beobachtet, dass „Reschpeckt“ ja auch so ein lustiges Ding ist: Wird von recht vielen Menschen, die sonscht koi Wort schwäbisch schwätze täte, so schwäbisch ausgesprochen. Au do han i bis heit net rausgfonda, wo des herkommt. Viele Menschen sprechen astreines Hochdeutsch, finden Schwäbisch sogar luschtich, aber würden selber niemals „Veschper“, „Kaschper“, „reschpektive“, „Knuschpern“, „Inschpektor“, „Geschpenst“, „Dischpokredit“, „Inschtanthaltung“, „Inschtitution“, „Kaschtration“, „deschpektierlich“ und so weiter sagen. 

Irgendeinem Grund hat es sich nur bei „Räschpeckt“ eingebürgert. Zeitlang dachte ich, es wär nur ein Gag.

Gag ist es vielleicht tatsächlich. Sich irgendwann verselbständigt. 

4 Kommentare

  • Ingo J. Biermann

    Noch ein Weglassen-Ding ist „Gefällt.“ In meiner Schulbildung war „gefallen“ in dieser Verwendung ein reflexives Verb. Also „Es gefällt mir.“ (im Gegensatz zu „Jemand will gefallen.“)

    Irgendwann hat sich eingebürgert, dass viele Leute nur noch „das Album gefällt“ / „der Film gefällt sehr gut“ usw. schreiben. Keine Ahnung, warum eigentlich das passiert ist. Mir fällt nämlich im Gegenzug oft auf, dass Menschen sehr, sehr oft etwas, das sie über Musik oder Filme o.ä. schreiben, mit dem Zusatz „in my opinion“ (IMHO) oder „meiner Meinung nach“ oder „in my book“ oder „für mich“ usw. bestücken – gerade so, würden plötzlich alle denken (müssen), eine Aussage in einem Online-Forum oder Blog oder so sei stets als unverrückbar objektive oder wissenschaftlich abgeklärte Aussage zu verstehen.
    Ich denke mir dann immer, wenn ich irgendwo schreibe „Elton Johns Album ‚Sleeping with the Past‘ ist richtig gut“ und „Iron Maiden ist schon eher special interest“, dass jedem denkenden Menschen klar sein dürfte, dass ich da gerade meine Meinung kundtue – und nicht irgendwelche wissenschaftlich objektivierte Studienergebnisse. Auch ohne dass ich da „in my opinion“ dazutexte.

    So überrascht mich wiederum, dass man mittlerweile häufiger liest, „die neue Platte von King Hannah gefällt“ oder „die Kameraarbeit in Los Adjectivos gefällt besser als die in Los Substantivos“. Wo sind denn die Personen hin, denen das nun gefällt, in their humble opinion?

  • alex

    Eine interessant Beobachtung. Ich habe viele Jahre – seit ca. 2001 – im Musikforum „I Love Music“ kommentiert und dort anfangs immer direkt meine Meinung kundgetan, allerdings oft etwas apodiktisch wie z. B. „Loveless“ ist ein Meisterwerk oder „Dancing Queen“ hat meine Jugend verhunzt (überspitzt ausgedrückt). Da gab es dann schnell Gegenstimmen und man fügte dann irgendwann „imho“ an die Urteile an, um diesen unfruchtbaren „flame wars“ aus dem Wege zu gehen. Man einigte sich dann, dass die Schönheit im Ohr des Betrachters liegt. Ich glaube, es hat etwas mit dieser Internetforenkultur zu tun, dass gerne der Zusatz hinzugefügt wird, dass es die eigene Meinung ist, weil da so viele Leute zusammenkommen, die oft anonym sind und sich nicht kennen. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, um trotz verschiedener Meinungen im Gespräch zu bleiben.

  • Olaf Westfeld

    😉
    Ist mir noch nicht aufgefallen. Wie bei Alex ist imho die häufige Nutzung von „imho“ eine Folge der Internetkommunikation, der damit oft verbundenen „Trollerei“.

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