Jaki Liebezeit und die „Secret Rhythms“


„Im Zentrum des Geschehens, wenn Can spielte, war Jaki Liebezeit. Die Intensität der Schlägelschläge verwandelte er subtil, und die Becken degradierte er fast zur Verbannung. (Mit der Hi-Hat war er einverstanden, aber das Crash und Ride wurden bestenfalls sporadisch geliebt. Wie er zu David Stubbs sagte, sind Becken „weißes Rauschen“.) Wenn man Liebezeit bei einem Stück wie „Mother Sky“ zuhört, merkt man, dass Muster, Melodien und Formen nicht die einzige Möglichkeit sind, musikalische Informationen zu vermitteln. Traditionelle Konzepte des Komponierens waren bei Can fehl am Platz.“ (Sasha Frere-Jones)

Das was sie anzapften, wie der „elektrische Miles“, war eine andere Energie, die aus archaischen Quellen stammte. Rituelle Traditionen. The pagean, the secret, the sacred. Das zyklische Drumming. Von der alten, im Musikkritikerjargon gerne „legendär“ genannten, Besetzung traf ich in den späten Neunzigern und frühen Nuller Jahren, ab und zu Jaki Liebezeit und Holger Czukay. Mein running gag, wenn Olaf S. und ich dort auf einen Kaffee vorbeikamen: „Holger, wann kommt die Platte mit den Walfischen raus?“ Holger, der Storyteller, schuf ein famoses Solowerk, anfangs noch mit Conny Planck. „On The Way To The Peak of Normal“, mein privater Favorit. Jaki mischte mit, und wie!

Mit Burnt Friedman zusammen entwickelte Herr Liebezeit später ein anderes, wundersames „Alterswerk“, das kein Alter kennt. Diese Platten, die in aufsteigender Nummerierung „Secret Rhythms“ betitelt waren, sind heute so fesselnd wie in der Zeit ihres Erscheinens. Sie haben nie den „Legendenstatus“ erlangt wie alte Can-Alben, und verströmen doch eine vergleichbar hypnotische Kraft. Zudem sind die Klangaufzeichnungen der „Secret Rhythms“ kristallin, very natural, audiophile delights. Nonplace der Name des Labels. Jakis Spiel mit der „lieben Zeit“ ist „special-effect-los“, unaufgebrezelt, sachlich, „aufgeräumt“ – dabei betörend ohne Ende, in jedem sich schliessenden, öffnenden Kreis.

Als ich Jaki in einer ersten Fassung diesen, mit der jüngsten Ausgrabung aus dem Can-Archiv enhergehenden, Assoziationen „egoloses Spiel“ attestierte, hatte ich allein im Sinn, dass er jede Art von „showdrumming“ ausliess, mit dem manch andere Trommler einst so gerne ihr Ego aufbliesen. Auch in Begegnungen mit ihm gab es nichts Allürenhaftes. Burnt Friedman brachte es, vor ein paar Stunden, in einer Mail aus seiner neuen Hemat, Baião, Portugal, so auf den Punkt:

Jaki hatte ein starkes „Ego“, sonst hätte er viele radikale Positionen gar nicht vertreten können. Er war ein Künstler im eigentlichen Sinn, an der Sache orientiert, die er voll und ganz durchdrungen hat. So stand er ausserhalb der Kulturen, als Autorität (das ist der geeignete Begriff, nicht Ego). Ihm zu unterstellen, er hätte ohne Ego musiziert, oder ähnliches, ist eigentlich eine Begriffs–Verwechslung. Da ihm die Sache (die Musik, innere Einstellung, richtige Auffassung von Rhythmus, etc.) so wichtig waren, konnte er sie auch durch seine ausgeprägte Autorität im besten Sinne, als Autor vertreten u. unsterblich werden.

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