Jasons feines Gespür für das Schweben
„Grandaddy were a band that always sounded nostalgic, even when they were singing about the future, robots and time-traveling.“ Erinnerst du dich an die „Abteilung für das Verschwinden“? Jason Lytles Album „Dept. Of Disappearance“ stand für eine besondere Art von Eskapismus, bei einem Songwriter, der sowieso kein Album, solo oder mit Grandaddy, ausliess, ohne Rückzugsorte ins Visier zu nehmen. In jenen launigen Liedern tauchten die Schweizer Alpen auf, weit von allem Rummel entfernt, aber auch uramerikanische Fluchtpunkte a la Fairbanks, Alaska. An den Oberflächen ging es hoch her wie auf einem Jahrmarkt, mit plärrender Jukebox, schadhaften Klangerzeugern und einem leicht angetrunkenen Chopin-Zitat. Doch letztlich erzählte fast fast jedes Lied aus dem Department des Verschwindens eine Geschichte über das endgültige Fortgehen. Alle Düsternis wurde ausgehebelt mit tänzerischer Anmut, und einem feinen Gespür für alles, was schwebt. Jetzt hat Jason mit Grandaddys neuestem Streich den Walzer entdeckt, die Pedal-Steel-Gitarre, und sanft berauschende Schnittstellen von New Wave, Blue Grass, und Country. Dem Titel „Blu Wav“ kommt man also rasch auf die Schliche. Und nahezu alle Songs halten Wort, klingen sowohl herzlich als auch hart verdrahtet – dezent beschwingte Melodien treffen auf ungeschliffene Elektronik, diskrete Überraschungen, und Feldaufnahmen von Kojoten in Los Angeles. In mehr als der Hälfte sind Walzertakte ausfindig zu machen – das gute Gespür für alles, was schwebt, bleibt eine Konstante in seinem Liederbuch, genauso wie Holzhütten, Bars, und Jukeboxen. Nur zu gerne verliere und finde ich mich in der weichgezeichneten „happy sadness“ dieses Albums, das so herrlich frei ist von grossen Gesten und knalligem Getöse. „Blu Wav feels like it could be listened to on a walk in a dense rainforest as much as it could be played at a highway truck-stop“. Das schreibt ein amerikanischer Kollege. Mir fallen ein paar andere Orte ein, im Hier und Jetzt und Bald: ein langer Blick aus dem Fenster eines ICE kurz vor Bremen, der Strand zwischen Rantum und Hörnum um acht Uhr morgens, und eine Jukebox am Ende der Welt, ein Katzensprung von Dänemark entfernt. „It’s a new day. Open your eyes and your laptop to the sunrise.”