Von grossen dunklen Abenteuern (weitere Inselgeschichten)


Never set up in hesitation and procrastination, test every little melody, every tiny image, for its suitability for a new horizon. Trust the first sight and sound and get started! Niemals im Zagen und Zaudern einrichten, und jede Melodie, jedes Bild, ratzfatz auf seine Eintrittshaftigkeit für einen neuen Horizont prüfen. Dem ersten Blick und Klang vertrauen, loslegen! Als ich sechs Wochen eingepfercht war bei den Nonnen von Norderney, in den Zeiten, als der Twist unser Kinderlieblingstanz war, gab mir nicht zuletzt das berühmte Lied von Freddy Quinn Kraft, das ich gerne im Dunkeln schmetterte. Noch viel liebreizender war es (da ist dieses altmodische Wort durchaus angemessen), mit Fritz Wunderlich (oder besser noch ohne ihn) „Ich bin nur ein armer Wandergesell“ anzustimmen. Als kleiner und rasch grösser werdender Junge wurden die ostfriesischen Inseln mein Sommerterrain, allen voran Langeoog und Borkum, und nie mehr Scheissnorderney. Ein besonderes Vergnügen war es, morgens, noch vor dem Frühstück, zweimal in der Woche, zu den beiden Inselbahnhöfen, zu gehen, um auf grossen Plakaten die nächsten neuen Filme angekündigt zu sehen, gerne Western, Abenteuerfilme, ein früher James Bond, grosse Liebesdramen. Eine Wucht ging von diesen Plakaten aus, wie von dem verlassenen Schiffswrack im Ostland, oder den Lichtstrahlen der Leuchttürme bei Nacht. (Später, zwischen 1972 und 1975, trat das Kinoprogramm auf den Inseln etwas in den Hintergrund, und wurde von Michael Nauras „magischen“ Jazzsendungen im NDR abgelöst. Meine Transistorradioinselmusik!) Dieses Bild wirkt wie aus einem Traum oder einer Verheissung (ein ferner Verwandter von David Sylvians „Manafon“-Cover), und erinnert mich an den Zauber der Inselbahnhofsplakate, die natürlich oft deftiger im „Pinselstrich“ waren. Dass Ryusuke Hamaguchis Film aussergewöhnliche Stimmungen bereithält, lässt schon dieses Plakat ahnen. Die Musik von Eiko Ishibashi tut das ihrige dazu. (Seit kurzem ist der Film auf „prime“ zu sehen, und als Blu-ray wie Dvd erhältlich.) Später, in Studentenzeiten, hatte ich eine Zeitlang Wim Wenders‘ Plakat von „Im Laufe der Zeit“ an der Wand hängen, ich hatte es irgendwann aus dem City Kino mitgehen lassen, so wie Wim in jungen Jahren gerne Schallplatten in seinem riesigen Trenchcoat klaute – kleine Sünden belohnt der liebe Gott sofort. (m.e.)

3 Kommentare

  • flowworker

    Deepl translation without corrections:

    When I was cooped up with the nuns of Norderney for six weeks, in the days when the twist was our favourite children’s dance, it was not least Freddy Quinn’s famous song that gave me strength, which I loved to belt out in the dark. It was even more endearing (this old-fashioned word is quite appropriate) to sing ‘Ich bin nur ein armer Wandergesell’ with Fritz Wunderlich (or even better without him).

    As a small and rapidly growing boy, the East Frisian islands became my summer terrain, above all Langeoog and Borkum, and never again Scheissnorderney. It was a particular pleasure to go to the two island railway stations twice a week in the morning, before breakfast, to see the next new films announced on large posters, often westerns, adventure films, an early James Bond, great romantic dramas. These posters were as powerful as the abandoned shipwreck in Ostland or the beams of light from the lighthouses at night. (Later, between 1972 and 1975, the cinema programme on the islands faded into the background and was replaced by Michael Naura’s ‘magical’ jazz programmes on NDR. My transistor radio island music!)

    This picture seems like a dream, a promise (a distant relative of David Sylvian’s ‘Manafon’ cover), and reminds me of the magic of the island railway station posters, which of course were often more solid in their ‘brushstrokes’. This poster alone suggests that Ryusuke Hamaguchi’s film has extraordinary moods in store. The music by Eiko Ishibashi does the rest. The film has recently been shown on ‘prime’.

    Later, when I was a student, I had Wim Wenders‘ poster for “In the Course of Time” hanging on my wall for a while. I had taken it from the City cinema at some point, just as Wim liked to steal records in his huge trench coat when he was young – the good Lord rewards small sins immediately. (m.e.)

  • Martina Weber

    Der Film könnte etwas für mich sein. Von „Drive my car“ mit seiner archaischen Ästhetik war ich begeistert. „Und noch eine Geste, die ich in diesem Film zum ersten Mal sah: Eine brennende Zigarette in eine kleine Fläche Eiswasser hineinzustecken, als wäre es ein Räucherstäbchen. Ein Abschiedsritual.“ Das ist der Schluss meines Textes über „Drive my car“, damals noch auf manafonistas. Hier ist der Link:
    https://www.manafonistas.de/2023/05/18/japanese-jewels-drive-my-car/

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