Haruki, Paul, und andere Abenteuersucher

Ich dachte, Haruki Murakami könnte mich nicht mehr überraschen, und ich hätte seinen Sound dechiffriert. Mein erstes Buch von dem japanischen Meister kam noch beim Suhrkamp Verlag heraus, und es hiess „Wilde Schafsjagd“. Später dann mein Lieblingsroman: „Mister Aufziehvogel“, da hatte ich „nur“ die alte Übersetzung. Ein Buch, in dem ich vollkommen verschwand. Mit einem Schmunzeln verrate ich, dass da manche Dinge auftauchten, für die der Autor bekannt ist (mysteriöse Frauen, verschwundene Katzen, Telefonsex, Spaghetti). „Der beste Weg, über die Realität nachzudenken“, erklärt Murakami, „ist, sich so weit wie möglich von ihr zu entfernen.“ Teils Detektivgeschichte, teils alptraumhafte Version von Alice im Wunderland. Und nun, vor Wochen, hat er mich wieder eingefangen, und der Zauber wirkt immer noch nach: „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“. Einmal mehr übersetzt von der grossartigen Übersetzerin Ursula Gräfe.


Bleiben wir bei der Magie und ihren bizarren Zugängen zu unserem scheinbar so realen Leben. „Die Seele aller Zufälle“ von Fabio Stassi. Das neue Abenteuer von Vince Corso, Detektiv und Bibliotherapeut, in einem labyrinthischen Rom. Mehr wird nicht verraten ausser: wer einen Deal mit Haruki hat, gerät auch hier leicht in einen Leserausch. An einer Stelle verrät Vince: „Jedes Buch ist ein Resonanzkörper. Und ich bin sicher, dass es Musikalität ausbilden kann, eben weil es Musik ist. in nicht allzu ferner Zukunft wird Patty Smith den Nobelpreis für Literatur bekommen.


Lange, bevor Herr Gregor auf Sylt Jukeboxen installierte, und in Leinfelden-Echterdingen den ersten deutschen Paul Murray Fanclub gründete, habe ich ihn auf den Burner „An Evening of Long Goodbyes“ aufmerksam gemacht, der mit dem gleichen Titel als deutsche Übersetzung herauskam. Unendlich witzig und traurig, wie auch der Nachfolger „Skippy stirbt“. Ich bin ganz heiss auf sein jüngstes Buch, „Der Stich der Biene“, aber meine bessere Hälfte hat es sich heimlich hergenommen, und versteckt es tagsüber an den unmöglichsten Orten. Keine Chance vorerst, an den 700 Seiten starken Schmöker heranzukommen. So geht „Familienroman“.

Bis dahin werde ich mich in Ilona, Oregon, umtun. „Vor Dekaden ist Footballstar Zeb aus dem Stadion weggerannt. Jetzt soll Alice Vega den Abgetauchten in Ilona suchen, stößt auf den Kleinstadtking, seinen Sheriffkumpel und ein Rassistennest. Legt sich mit ihnen und den Hintermännern an, schützt die Schwachen und säubert die Stadt. Hardboiled feministisch.“ Louisa Lunas „Abgetaucht“ ist im April an Nummer 1 der Krimizeit-Bestenliste gesetzt. Der Suhrkamp Verlag hat in diesem Jahrhundert schon so etliche verdammt gute Kriminalromane verlegt (Andreas Pflüger, Don Winslow et al), und meine Leseprobe (Kapitel 1) lässt mich vermuten, dass auch dieses Buch ein Kracher sein könnte. Hardboiled halt. Die frauliche Variante. Alte Dashiell Hammett-Schule mit einem Twist.

2 Kommentare

  • radiohoerer

    Es gibt einen neuen Roman von Paul Murray…. das ist toll.
    „Skippy Stirbt“ war eine Offenbarung. Ich bin gespannt auf sein neues.
    Danke für deinen Tipp … wieder mal …

  • Olaf Westfeld

    Mir ging es auch so, dass ich dachte mit Haruki abgeschlossen zu haben – aber dann hat mich vor 6-7-8 Jahre der Farblose Herr Dingsbums erwischt, ich habe dann auch die beiden Commandatore Roman sehr gern gelesen, 1Q84 nachgeholt und die neue Übersetzung vom Aufziehvogel irgendwann zwischen den Jahren gelesen. Der neue steht schon im Regal, allerdings noch eingeschweißt und wird in den Sommerferien gelesen.
    Paul Murray sagt mir wiederum nix.

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