Redding Road, Dogwood Coffee Shop & a sunset in 1963

„jetzt tauchen die sichtbaren Teile  / der Geschichte auf, eine Folge von flimmernden  Resten, / die zum Wiedererkennen aufbewahrt / und hervorgeholt sind.“ Es gibt schon einiges zu entdecken, wenn man das Cover der neuen Pan American-LP, von beiden Seiten, auf sich wirken lässt. Obwohl es Americana Ambient ist, konnte ich, weil beides von den Rändern unserer Welt erzählt, an meinem Geburtstag dazu einen alten Gedichtband von Jürgen Becker hernehmen, um zwischen Worten und Klängen zu pendeln. Eine Zeitlinie zwischen 1970, 1980, und 2024. In den Sounds, in den Zeilen versank ich, abwechselnd in die Musik, die Wortbilder, zuweilen gleichzeitig in beides.

„Reverberations of Non-Stop Traffic on Redding Road“ heisst die Arbeit von Pan American & Kramer. Ob die beiliegenden Fotos uns Redding Road am Abend zeigen? Das Gesumm von „distant traffic“ scheint Eingang in eines der Stücke dieses allerfeinst gearbeiteten Albums gefunden zu haben. Here‘s one track:  „The Miner’s Pale Child’“. The calming guitar drones and swelling tones paint a serene picture. Kramer calls this piece „a wordless love letter to WS Merwin, the great American poet of nature and peace – the great champion of the weightlessness of words.“ (Gestern schickte uns Steve Tibbetts einen Gruss, und ich habe gleich den Dogwood Coffee Shop gegoogelt, in dem er hockte. In St. Paul, MS. Vielleicht ist Redding Road gar nicht so weit entfernt.)

And so it happened I was dreaming about two imaginary albums within the last days: the next Brian Eno song album (his response from some days ago, on flowworker, made it sound a bit less imaginary). And then there’s the idea of an album by Marc Johnson and Steve Tibbetts, chants of sorts (a little more imaginary, but in autumn 2024 a matter of serious discussion, hopefully). A propos „imaginary“, „time lines“, & „memories“ Eine Deepl Überdetzung von Brians Lied „All I Remember“, kaum korrigiert, liest sich so: „Alles, woran ich mich erinnere, wenn ich mich sammle, ist / Ein einsames Feuerwerk, das über einem unergründlichen Meer aufblitzt / Ich versuche, mich an all die Schätze zu erinnern, die ich in jenen Tagen fand / Aber die Verbindung ist schwach / Und der Moment ist im Dunst verloren / Neue Gefühle zu spüren / Ketty Lester, Dee Clark, Bobby Vee / Über den Deich hinaus in die Dunkelheit / Wo der Fluss zum Meer wird / Flackern in Fenstern mit 40-Watt-Birnen und TV / Das Schwirren von Mücken auf einer Wiese, Sonnenuntergang 1963.“

Auch das wiederum handelt von den Rändern unserer Wahrnehmungswelten, wie einst, expressis verbis, ein Lyrikband des Altmeisters. Das Gedicht, dessen erste Zeilen ganz oben zu lesen sind, endet so: „Die Reihenfolge ist wieder ganz anders; / anfangen kann man mitten im Sommer, / unter Lautsprechern zwischen Bäumen.“ Wie geschehen einst auf einem Workshop mit Moebius und Harmonia, Musik von den üblichen Verdächtigen, nahe Forst im Weserbergland. Das ist eine andere Geschichte.

Nicht unter dreissig Seiten, so eine Nacherzählung. Und dann müsste alles fiktionalisiert werden, die Namen zumindest, und in kleinen Episoden, sollte es gut gemacht sein, ein Nachhall geschaffen werden. Tatsächlich ist die Weser kein gemächlicher Fluss, und es bedurfte schon kundiger Hilfe, die guten windgeschützten Orte für das Baden und die Boxen zu finden. Nirgends tauchen in Forst museale Zonen auf, von den Relikten aus alter Zeit ganz zu schweigen. Keine berühmten Sonnenschirme, nicht mal die Bäume vom Cover von „Sowiesoso“. Wir wären ja auch verrückt gewesen, Bäume zu suchen. Auch von dem berühmten Bordell im Wald, ein Edelkurtisanenbetrieb alter Schule, mit Stil, Klasse und exotischen Schönheiten, war Dorfältesten nicht mal ein „Es war einmal“ zu entlocken. Das halbe Dutzend der Einheimischen hatte die 80 satt überschritten, und war mehr im Vergessen als Erinnern angekommen. In einem anderen Dorf gab es eine gesicherte Feuerstelle, die keinen offenen Brand zuliess, und wir karrten die Scheite zusammen, stöpselten die Boxen ein, holten den Strom aus einem still gelegten Wirtshaus, und liessen uns von den beiden Harmonia-Platten umrauschen. Der Wein ging rum, das Haschisch, und alle schliefen im Umkreis von zwei Kilometern. Zuvor aber hielten uns das Feuer und die Dämmerung und die Musik gefangen, und jeder erzählte eine andere Story.

3 Kommentare

  • flowworker

    Klickwörter im Fliesstext:

    „Cover“
    „The Miner’s Pale Child“
    „All I Remember“
    „Dee Clark“
    „Moebius“

  • Martina Weber

    Zwar bin ich eher der Typ Nightowl und nicht Early Bird, aber tatsächlich hat es mit dem Herunterladen des digitalen Albums geklappt – vielen Dank! Das ist ein Fall für die kleinen Abakusboxen, nur über die Notebooklautsprecher entfaltet sich der Klang noch nicht.

    Der Bezug des Albums zu W.S. Merwin ist nicht ganz so ohne Worte: Es gibt ein Buch von ihm mit dem Titel „The Miner’s Pale Children“. Ich habe es vor ein paar Wochen gekauft. Es sind kurze Geschichten, zwei bis drei Seiten lang. Einige habe ich gelesen, sie sind sehr existenziell, wie alles, was Merwin schrieb.

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