Klaus Doldinger 1936 – 2025
(English here!)
Und ich dachte immer, der Mann sei unsterblich, so lange kenne ich den Namen schon. Aber 89 ist ja ein durchaus gesegnetes Alter, da kann man sich wohl nicht beklagen.
Zu seiner Karriere muss man nichts mehr sagen; zu seiner Bedeutung ebenfalls nicht. Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass sich die Todesmeldungen von Musikern häufen, das ist in meinem Alter wohl normal. Aber wenn dann eine wie diese kommt, dann wird einem klar, dass es Musiker gibt, die mehr Gewicht hatten als andere. Doldinger war so einer.
Der Multiinstrumentalist Klaus Doldinger hatte 1953 die Feetwarmers gegründet, während er Klavier und Klarinette an Düsseldorfs Robert-Schumann-Konservatorium studierte. Aber dabei beließ er es nicht. Er fügte seinen Studien das Saxophon hinzu (von der Klarinette aus ist das kein allzu großer Sprung, weil die Grifftechnik ähnlich ist, vom Charakter her ist es aber ein großer Sprung). Im Jahr 1955 gründete er Oscar’s Trio, so benannt zu Ehren Oscar Petersons, und gewann den „Coup Sidney Bechet“. Zudem machte er an der Hochschule eine Ausbildung zum Toningenieur, was ihm später sehr zugute kommen sollte. Im Jahr 1960 tourte Doldinger durch die USA, kam dort in Berührung mit George Lewis und anderen Jazzgrößen, spielte im Birdland und wurde Ehrenbürger von New Orleans. Zurück in Deutschland arbeitete er mit hier lebenden amerikanischen Musikern wie Don Ellis, Johnny Griffin, Kenny Clarke, Donald Byrd und Benny Bailey. 1962 folgte die Gründung des Klaus Doldinger Quartetts mit Ingfried Hoffmann (Orgel), Helmut Kandlberger (Bass) und Klaus Weiss (Drums). Dieses Quartett nahm für das Philips-Label die Alben Jazz Made In Germany (1963) und Live At The Blue Note Berlin (1964) auf; beide wurden von der Kritik hoch gelobt. Ab 1964 produzierte Doldinger Werbemusik – ein Nebenjob, für den er später berühmt wurde (wir erinnern uns an die wilde Frische der Seife Fa; ein Jingle, der über die Jahre in etlichen Variationen erschien, zuletzt auf dem Fairlight gespielt). Das alles öffnete Doldinger die Tür zur Filmmusik, die er nicht nur komponieren, sondern auch spielen und aufnehmen konnte; seine erste Filmmusik entstand im Jahr 1963 für den längst vergessenen Kurzfilm Verpasst den Anschluss nicht von Klaus Lemke. Doldingers erste eher jazzrockorientierte Band hieß Motherhood; der Name war ein freundlicher Gruß in Richtung Mothers Of Invention. Motherhood ist auf zwei LPs zu hören, die Besetzung war nicht konstant. Und Doldinger hielt sich fern vom Free Jazz, was seinem Erfolg nicht geschadet haben dürfte.
Meine erste unmittelbare Begegnung mit Doldinger war ein Sammel-Doppelalbum namens Electric Rock von 1969, das mir ein Mitschüler zum 13. Geburtstag schenkte. Darauf war Doldingers Motherhood zu hören, das Stück hieß „Sahara“.
Ich war hypnotisiert von der uhrwerkartig dahintickenden Schlagzeugmonotonie dieses Stücks, das von mir aus ewig hätte weitergehen können. „Sahara“ war das erste Stück, das mir den Namen Klaus Doldinger ins Bewusstsein brachte. Interessanterweise ist die auf diesem Album präsentierte Version (mit den Münchner Studiocracks Olaf Kübler, Joe Quick, Lothar Meid und dem Schweizer Drummer Kurt „Düde“ Dürst von Krokodil) auf keiner anderen Platte zu hören – schade und ein bisschen seltsam, denn das Stück war bis zuletzt noch in Doldingers Live-Repertoire.
Zweimal habe ich Doldinger live erlebt, beide Male in der Hamburger Musikhalle. Das erste Mal muss wohl 1975 gewesen sein, im Rahmen seiner „Jubilee ’75“-Tour, die ein wenig an die zeitlich korrekte „Jubilee“-Tour von 1974 angeklebt zu sein schien, wohl wegen des großen Erfolges.
Die Besetzung war live aber eine andere als auf der zugehörigen LP, ich erinnere mich an Alphonse Mouzon an den Drums, der auf der LP nicht dabei ist.
Irgendwann spielte Doldinger mit seinem Ensemble Passport auch in Hamburgs legendärem Pö. Die wollten wir sehen, aber vor dem Eingang stand bereits eine solche Menschentraube, dass wir erst gar nicht versucht haben, hineinzukommen.
Vom Boot, von der Unendlichen Geschichte, vom Tatort, von Liebling Kreuzberg und vielem mehr will ich mal gar nicht erst anfangen. Auch nicht von all den Musikern, die durch ihn oder mit seinen Ensembles erst groß geworden sind — die Liste wäre zu lang.
Was sonst kann man noch sagen außer „Bye bye“ — am besten einfach nur „Gute Reise“, wohin auch immer.