Miroirs No. 3

Alle guten Zutaten zu einem Petzold-Film sehen wir im neuesten Werk des Regisseurs vereint: eine enigmatisch-melancholische und natürlich schöne Paula Beer, eine ebenso rätselhafte Geschichte und ein so alltägliches wie malerisches, aber doch unbehagliches Setting. Wir befinden uns irgendwo außerhalb von Berlin – das allerdings ganz weit weg erscheint beim Anblick dieser luftig-leichten Sommer-Szenerie mit sonnigen Weizenfeldern, offenen Fenstern, weiß bemalten Zäunen und wehenden Vorhängen. Hierhin verschlägt es Protagonistin Lea (Beer), Klavierstudentin an der UdK, die mit ihrem Freund und zwei leicht versnobten Bekannten ins Berliner Umland fährt.
Irgendetwas stimmt nicht mit Lea, wie uns schon die Anfangsszene von „Miroirs No.3“ klar macht – mit leeren Augen und zerlöchertem Pulli steht Lea auf einer Brücke und blickt mit düsterer Melancholie nach unten ins Wasser (vielleicht eine kleine Referenz zu Petzolds „Undine“?). Sie wirkt abwesend, wie nicht ganz von dieser Welt, neben ihren Freunden, die sich über nachgebaute Synthesizer unterhalten, ist sie ein Fremdkörper. Wenig später verunglücken ihr Freund und sie mit dem Auto, er stirbt. Sie hat Glück, wird leicht verletzt von einer fremden Frau namens Betty (Barbara Auer) aufgenommen, bei der sie dann unterkommt, die sich mit Hingabe um sie kümmert und für sie sorgt. Das Verhältnis ist klar, hier entspinnt sich aus dem Nichts ein seltsames Mutter-Tochter-Verhältnis, das Geborgenheit und Ruhe vermittelt – wäre da nicht ein unterschwelliges Unbehagen, eine unbestimmte Fremdheit, ein Geheimnis, das schwelt.
Eine Spannung zwischen Idylle und Unbehagen ist prägend auch für diesen neuen Petzold: kleine Gruselelemente werden gestreut, ein plötzliches Auftauchen aus dem Nichts, fremde Blicke aus der Ferne – ein ständiges Zweifeln und Rätseln unterläuft das warme, ländliche Sommeridyll. Das Jenseits ragt in die Geschichte hinein: Es wird klar, dass Lea ein Ersatz ist für jemand, der nicht mehr auf dieser Erde weilt. Auch zwei weitere Figuren, Bettys Sohn (Enno Trebs) und Ehemann (Matthias Brandt), lösen das Rätsel erstmal nicht auf, sondern verstärken es.

Alles wirkt seltsam entrückt in diesem Universum, bisweilen, vor allem Anfang, irritieren die künstlichen, fast unbeholfen wirkenden Szenen und Dialoge doch ziemlich. Bis der eigentümliche Sog dieses Erzählens einen doch in den Bann zieht; das allumfassende Rätsel, das Petzold kreiert, fasziniert fast gegen unseren Willen. Unklarheit und Schwebe dirigieren den Film, gleichzeitig gibt es Momente intensiver Nähe und Geborgenheit, die sich vor allem zwischen Paula Beer und Barbara Auer entwickeln, aber auch Matthias Brandt gibt uns mit seinem souveränen Spiel in der Szenerie Halt.
Petzold lässt uns am Ende wie stets ein bisschen ratlos zurück. Was haben wir hier angeschaut? Sicherlich einen Film über Trauer und über den Tod, doch der Tod erscheint hier als etwas Allgegenwärtiges, dem Leben immer schon Inhärentes. Definitiv ist „Miroirs No. 3“ aber, diese Sicherheit gönnt uns der Regisseur, ein Film über Heilung – und deren, manchmal, seltsame Wege.
Alice Fischers Filmkolumne in „Perlentaucher“
Miroirs No. 3 – Deutschland 2025 – Regie: Christian Petzold – Darsteller: Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs – Laufzeit: 86 Minuten.