Popol Vuh

„Er war zuerst mal Poet und dann erst Musiker, und sein Gefühl für die innere Struktur eines Filmstoffs war unfehlbar“, sagt der Filmemacher Werner Herzog über Florian Fricke (1944 – 2001), und Michael Cretu (Enigma) ergänzt: „Popol Vuh sind die größten Vorbilder, die ich je hatte und je haben werde.“
Popol Vuh, von Florian Fricke gegründet 1969, so benannt nach dem heiligen Buch der guatemaltekischen K’iche‘-Maya, gehörte fraglos zu den bemerkenswertesten Erscheinungen der frühen deutschen Rockszene — aber schon da zögert man, denn Rockmusik war das eigentlich nicht, was die Band zu Gehör brachte.
Was aber war es dann? An genau dieser Frage hangelt sich die jetzt vorgelegte Biografie entlang. Michael Fuchs-Gamböck und Michael Joseph untersuchen „die Klangwelten des Florian Fricke“, wie der Untertitel lautet. Und da gibt es einiges zu entdecken.
Florian Fricke war der zweite Besitzer eines Moog-Synthesizers in Deutschland nach Eberhard Schoener (der sein Miesbacher Nachbar war) und gilt seit Popol Vuhs Erstling Affenstunde (1970) als Pionier des Elektronik-Rocks. Es wird schnell deutlich, dass er das ohne seinen Mitstreiter, den Musiker und Filmemacher Frank Fiedler, wohl nicht geworden wäre, denn sein Technikverständnis war, sagen wir mal: begrenzt. Und ohne solches spielt der Synthesizer mit dem Musiker, nicht umgekehrt. Insofern war es konsequent, dass Fricke den Moog schon nach dem zweiten Album In den Gärten Pharaos (1971) wieder aufgab (der landete dann bei Klaus Schulze). Da er dafür allerdings eine deutlich durchgeistigtere Begründung angab, hat dieser Schritt seinem Ruf als Pionier nicht geschadet. Erst viel später, als die elektronischen Instrumente deutlich musikerfreundlicher geworden war, kehrte Fricke zu Synthesizern zurück (For You and Me, 1991) und entdeckte mit dem Synclavier auch das Sampling, das dann eine wichtige Rolle in seinen weiteren Werken spielte.
Einen großen Teil des Buches nimmt selbstverständlich Frickes Zusammenarbeit mit dem Regisseur Werner Herzog ein. In der Tat kann man Fricke wohl als kongenialen Partner bezeichnen; etliche von Herzogs Werken leben von seiner Filmmusik mindestens so stark wie von Herzogs künstlerischer Fantasie. Da hatten sich ganz offenkundig zwei gefunden — ein Glücksfall.
Ein eigenes Kapitel erhält auch Frank Fiedlers wunderbarer Film „Kailash — Pilgerfahrt zum Thron der Götter“ — eine Art Reisebericht ohne Kommentar, aber natürlich mit der Musik von Florian Fricke, gedreht 1994 auf einer gemeinsamen Reise der beiden nach Tibet. Der Mount Kailash wird als heilig angesehen und darf nur umrundet, aber nicht betreten werden.
Der komplexen Persönlichkeit Florian Frickes ist nicht leicht beizukommen. In diesem Buch spiegelt sich dies darin, dass die Autoren kapitelweise getrennt vorgehen, wobei jeweils namentlich gekennzeichnet ist, wer gerade spricht. Auch werden verschiedene Darstellungsformen gewählt; essayistische Texte liest man ebenso wie ein langes Gedicht, es gibt einen Ausflug in Frickes Tätigkeit als Kursleiter und Vortragender in Sachen Musik- und Atemtherapie, sehr informativ ist auch ein Gesprächsprotokoll vom Mai 2025 mit Frank Fiedler.
Mit der Persönlichkeit Frickes gehen die Autoren sehr pfleglich um — kein Wunder, denn sie waren mit ihm befreundet bzw. als Mitmusiker tätig; Frank Fiedler dürfte sogar einer von Frickes engsten Freunden und Mitstreitern gewesen sein. Dass man von anderen, die ihn ebenfalls kannten, durchaus handfestere Aussagen über Frickes Persönlichkeit, insbesondere auch über seinen frühen Tod, zu hören bekommen kann, wird in diesem Buch bestenfalls angedeutet. Das stört aber kaum und wird durch die Vielzahl der Informationen über ihn mehr als aufgewogen.
Frank Fiedler sagt heute: „Ich bin der große Archivar, wenn man so will. Außerdem waren Florian und ich enge Freunde, wobei wir durchaus mal Streit untereinander hatten. Wie das bei wahren Freunden üblich ist. Wir teilten eine Menge kreativer Ideen, waren ständig im Austausch. Florian und ich wussten voneinander, wie der andere künstlerisch tickt.“
Und Co-Autor Michael Joseph: „Das Thema lässt mich nicht mehr los. Ich werde weiter an der Aufarbeitung dieses Lebens arbeiten, denn die Geschichte von Florian Fricke ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Vielleicht lebt er so in vielen Herzen weiter.“
In diesem Sinne ist dieses Buch ein guter Anfang.
Michael Schmidt-Gamböck und Michael Joseph:
Popol Vuh — Die Klangwelten des Florian Fricke
(inklusive Diskografie, Filmografie und Literaturliste)
edition kopfkiosk im Verlag Andreas Reiffer
Meine 2025, 188 Seiten, 16 €
ISBN 978-3-910335-13-4