Die Verweigerung des amerikanischen Traums (Teil 3)
Five Easy Pieces (1970, Regie: Bob Rafelson) Der Filmtitel ist raffiniert, weil er sehr offen wirkt und weil es sein kann, dass man sich am Ende des Films an keine Stelle erinnern kann, in der von „five easy pieces“ die Rede ist; man könnte sich aber an eine Schlüsselszene erinnern, in der diese Worte sinngemäß fielen oder gefallen sein könnten. Es gibt mehrere Filmcover, von denen ich zwei hier untereinander einfüge, auch wenn das nicht so super aussieht. Wenn man die Bilder zusammensetzt, ergeben sie eine ziemlich genaue, aber doch vage Ahnung vom Inhalt des Films. (Natürlich gibt es hier keine Inhaltsangabe.)


Am Notenblatt ist zu erkennen, dass sich die fünf leichten Stücke auf Musiknoten fürs Klavier beziehen, wobei die Stücke durchaus anspruchsvoll sind. Jack Nicholson vor einem Ölbohrturm und sitzend an einem Klavier, das auf einem Transporter steht. Auf dem dritten Cover (ohne Abbildung) steht: „He rode the fast lane on the road to nowhere.“ In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Plot und vor allem die Figur, die Jack Nicholson mit der gewohnt beeindruckenden schauspielerischen Leistung verkörpert.
In der deutschen Fassung wurde der Filmtitel wieder einmal ruiniert. Hier heißt es platt: „Ein Mann sucht sich selbst.“ Es ist vor allem der Charakter der Hauptfigur, die die Handlung bestimmt. An zwei Stellen wird über seine Persönlichkeit reflektiert. Einmal erklärt er sich so: „My life, I mean, most of it, doesn’t add up to much that I could relate as a way of life that you’d approve of. I move around a lot. Not because I’m looking for anything, really, but because I’m getting away from things that get bad if I stay.“ Sein Gegenüber versteht jedoch nichts von diesem Bekenntnis; es ist sein Vater, von zwei schweren Schlaganfällen gezeichnet. Die zweite Charakterisierung erfährt Dupea von einer Frau, die ihn zwar gerade erst kennengelernt hat, ihn aber nach einigen intensiven Begegnungen zu erkennen meint.
Five Easy Pieces hat auch einen Roadmovieanteil und wie in Two-Lane Blacktop werden Tramper mitgenommen; hier sind es zwei Frauen, die nach Alaska auswandern wollen, weil sie der Meinung sind, sie könnten dort dem Schmutz und dem Konsumterror der USA entkommen. An dieser Stelle des Films hätte man ein paar Minuten kürzen können; das ist überdehnt.
Das Verhalten der Hauptfigur, seine Persönlichkeitsstruktur, das hat etwas Zeitloses, was der Film wunderbar in zeitgemäße Bilder übersetzt. Die Schlussszene an einer Tankstelle im Bundesstaat Washington beendet den Film konsequent, würdevoll und erschütternd. Die nicht gezeigte Fortsetzung, die man erahnt, hallt nach.
3 Kommentare
flowworker
Interessant!
Dein ganz privates und jetzt öffentliches Filmfestival😉
Als ich deinen Text zu Two Lane Blacktop gelesen hatte , hatte ich ja nicht nur diesen tollen amerikanischen Traum, ich hatte auch diese unbändige Lust, Medium Cool wiederzuerleben …
Und die drei Verlorenen hatten schon was: James Taylor am Anfang seiner Karriere, schwere Drogenprobleme, Dennis Wilson ein Star bei den Beach Boys, schwere Drogenprobleme, ein großes Soloalbum, ertrunken. Laurie Bird Suizid. James der einzige survivor… lernte 1971 Carl Simon kennen und lieben.
Was keiner weiß: ich musste zwei Stunden im Archiv und auf dem Dachboden suchen , bis ich medium cool fand …. die Suche hatte etwas Obsessives … und wie ich nun sagen kann, ist Medium Cool wohl derzeit einer meiner 20 Filme für die einsame Insel. The end found me with two three four five six tears rollling….
Ingo J. Biermann
Das sind in der Tat wirklich einladende und wunderbare Filmbesprechungen! Da wird mir gerade bewusst, dass ich „Five Easy Pieces“ womöglich nie gesehen habe. Oder falls doch, dann ist es Jahrzehnte her und war allenfalls in einer deutschen Fernsehfassung.
flowworker
Wenn wir von dieser Ära des „New Hollywood“ reden, dann gab es da ja auch einen Regisseur wie Robert Altman. Ich bin das filmhistorisch unsicher, ob er durchweg dem independant cinema zuzurechnen ist, oder auch mal unter Hollywood-Studio-Bedingungen gearbeitet hat, aber ein independant spirit war er auf jeden Fall.
Und einer meiner Lieblingsfilme von ihm kennt kein Schwein, um es salopp zu sagan. Ich sah ihm einst zweimal im Fernsehen, in den 70ern, frühen 80ern, dann war er weg. Kein Stream, dvd sauteuer. Weg! Anders als bei Medium Cool würde ich jetzt nicht so weit gehen, und von einem stone cold masterpiece sprechen, aber ich liebte den Film damals, identifizierte mich vielleicht auch mit dem sympathischen Loser Steve Seagal (?!) 🤣. CALIFORNIA SPLIT. Spielte in Las Vegas. Ein kleiner Film, ferne Erinnerungen, good vibrations after all these years.
Ich finde, Altman hat einige tolle Filme gemacht, ich liebe aus der Erinnerung NASHVILLE, MC CABE UND MRS MILLER, SHORT CUTS, zum Beispiel. THE LONG GOODBYE war auch ziemlich gut. Der ist auf jeden Fall eng mit New Hollywood verbandelt.
Habe mal bei Rotten Tomatoes geguckt und da schreibt ein gewisser Alan Scherstuhl:
California Split has never been heralded as one of the key Altmans. But the few things it does – friendship and disappointment and the drab and desperate thrill of the gambler’s life – it does superbly.
Ja, da klingelt was … 😅🎶
Martina du hast hier eine tolles Fass aufgemacht!
Ich versinke in den kommenden Tagen in den Extras von Medium Cool. Und, ähem, wir es mal so: in die Hauptdarstellerin, die Mutter des kleinen Sohnes, hätte ich mich 1969, wenn ich den Film damals gesehen hätte, sofort und völlig sinnfrei verliebt! Selbst als reifer Mann in den drittbesten Jahren finde ich sie, wenn ich ihre Rolle für Realität nehme, unendlich sympathisch. Und, haha, es ist nicht die Frau auf dem Foto.