Mahler 5
Jessie Montgomery: Coincident Dances
Michael Daugherty: Songs of the Open Road for Oboe, Horn and Orchestra (World Premiere)
Gustav Mahler: Symphony No. 5
Pittsburgh Symphony Orchestra
Manfred Honeck, conductor
Cynthia Koledo DeAlmeida, oboe
William Caballero, horn
Pittsburgh, Heinz Hall, June 9, 2024
Manfred Honeck
Man kann sich natürlich fragen, weshalb eigentlich für Klassik-Konzerte immer wieder dieselben alten Schlachtrösser programmiert werden — Beethoven, Brahms, Mozart, Bruckner, und eben Mahler. So ähnlich habe ich neulich auch gesprächsweise gefragt, weshalb eigentlich immer neue Bücher zum Thema Krautrock erscheinen, einem Thema, das doch eigentlich längst abgedroschen sein müsste.
Lassen wir mal außen vor, dass gerade amerikanische Orchester zusehen müssen, woher sie ihr Geld bekommen, sie sind ja nicht staatlich subventioniert. Aber selbst, wenn sie subventioniert wären, wäre das falsch gedacht: Denn immer wieder sind neue Besucher da, die Mahlers Fünfte noch nie live im Konzertsaal gehört haben — wenn sie sie überhaupt je gehört haben. Und für sie kann so ein Konzert ein lebenslang prägendes Erlebnis werden. Und in vergleichbarer Weise kann auch die Beschäftigung mit frühen Krautrock-Bands (oder überhaupt Bands, deren Mitglieder eigentlich schon das Rentenalter überschritten haben) für so manchen ein neues Abenteuer sein. Wer mal erlebt hat, wie begeistert die Kids sein können, wenn Papa sie zum ersten Mal mit zu einem Kraftwerk-Konzert mitgenommen hat, weiß das.
Dass das Pittsburgh Symphony Orchestra (PSO) zu einem Klangkörper gereift ist, der in die Top-Liga der amerikanischen Orchester gehört, spricht sich allmählich herum, wenn auch noch nicht so, wie es wünschenswert wäre. Und wenn eine Mahler-Sinfonie so dargeboten wird wie hier, dann bitte gern mehr von solchen Schlachtrössern.
Das Orchester hat eine Fähigkeit, die ich bei anderen Orchestern selten so erlebt habe, und ich bin auch keineswegs mehr der Einzige, dem sie aufgefallen ist: Es kann extreme Lautstärken ebenso wie leisestes Flüstern bei größter Präzision präsentieren, und Maestro Honeck ist ein Dirigent, der diese Fähigkeit einzusetzen weiß. Und so flogen einem bei der Mahler-Sinfonie gelegentlich die Ohren weg. Man glaubt gar nicht, dass ein Orchester solche Lautstärken überhaupt erreichen kann. Aber Mahler ist ein Komponist, der immer wieder Momente bietet, in denen das gefordert ist. Und na gut, dass die Blechbläser dieses Orchesters tendenziell gern ein bisschen zu laut sind, ist nicht neu; das war mir schon vor 15 Jahren aufgefallen. Man kann damit leben. Vielleicht liegt es auch einfach an der Akustik der Halle.
Dass im übrigen auch Premieren ins Programm genommen werden, wie in diesem Fall Michael Daugherties Songs for the Open Road, ist zu begrüßen; dass die Solisten aus dem PSO stammen, desgleichen. Der Komponist war anwesend, die Besucher hatten vor dem Konzert die Möglichkeit, ein Gespräch mit ihm zu hören und Fragen zu stellen. — Ein schönes Werk, nebenbei. Fast wie ein Road Movie. Und wer heute noch glaubt, dass neue Musik zwangsläufig zwölftönig sein muss, irrt. Die Komponisten sind längst weiter.
(English translation see here)
Ein Kommentar
radiohoerer
Hallo Jan Reetze.
Deinem Beitrag kann ich zu 100% zustimmen.
Gerade was das Kennenlernen der großen Werke wie Mahler angeht.
Wir hatten einen ganzen Abend mit Werken armenischer Komponisten im Konzertsaal.
Davon reden die Leute heute noch.
Das hat viele Türen geöffnet.
Und: „Und wer heute noch glaubt, neue Musik müsse zwangsläufig zwölftönig sein, der irrt. Die Komponisten sind längst weiter.
Hier ein Link zum Tectonics Festival und das kann ich Dir nur wärmstens ans Herz legen.
Alle Konzerte kannst Du hören und sehen.
Und hier ein Link zu einer Sendereihe auf BBC Radio3 New Music Show
Welche ich regelmässig höre und die diese Werke in dieser Sendung sind gut.
Viel spass beim hören.