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Annette Peacock: An Acrobat‘s Heart

I met her back then in Munich (in the summer of 2000), and she told me, at one point, about sensitive moments in the production. Once, in the morning, she felt her energy waning, couldn’t make the appointment, everything was up in the air. Manfred Eicher carefully knocked at her door. Helpful words, encouragement. It ended well. Fortunately. By the way, she never got together with Brian Eno (they would have made an interesting pair in the studio), but once, early in the seventies, he lent her a wonderful pair of old horn loudspeakers, she fell in love with their sound and never gave them back.

In meinem Jahresrückblick tauchen ungewöhnlich viele Frauenstimmen auf, aus lang vergangener wie heutiger Zeit, Julia Holter, Laurie Anderson, Feliciá Atkinson, Jessica Pratt (you miss something between „Twin Peaks“ and „deep, deep mood music“ if you miss Jessica‘s „Here In The Pitch“), Beth Gibbons, Joni Mitchell, Anne Briggs, Annette Peacock. All diese Alben haben für mich etwas Unwiderstehliches, und ich kann nie anders, als sie am Stück zu hören. Vor Tagen lauschte ich wieder einmal Laurie Andersons „Hörspiel“ über den letzten Flug von Amelia Earhart, und war so gefangen von ihrem stimmlichen Vortrag, dass ich Raum und Zeit um mich vergass, in ihrer alten Klapperkiste, auf ihrer allerletzten Reise.

Und am Tag darauf kam Annettes letztes Songalbum bei mir an, das im Jahr 2000 entstand. Erstmals nun als Schallplatte, genauer gesagt, als Doppelalbum, in der ECM-Reihe „Luminessence“. Makellose Pressung, exzellenter Sound (was ja nun keine Überraschung ist). Neben ihrem Gesang ist Annette am Piano zu hören, allein das Cicada String Quartet begleitet sie. Jan Erik Kongshaug sitzt am Mischpult, und Manfred Eicher ist der Produzent im Rainbow Studio. (Those were the days.)

Einst, in ihren jungen Jahren, war sie eine so eigensinnige wie sinnliche Erscheinung. Viele Männer hielten Hof, Timothy Leary war einer von ihnen. Obwohl mir ihre skurrile „Annette Peacock Paul Bley Synthesizer Show“ als Album stets ein Rätsel blieb, das vielleicht nur Konrad Heidkamp und das Liebespaar Bley – Peacock entschlüsseln konnten, waren ihre Soloalben durchweg wagemutige, auf seltsame Art zugängliche, wundervolle, ja, genau, wundervolle Trips, die nie einem einzigen Stil treu blieben und brisantes Fremdgehen betrieben zwischen Funk und Free Jazz, Blues und Elektronik, Avantgarde, Rock und ganz und gar unklassischem Songwriting.

Wie betörend ihre Kompositionen sein konnten, brachte Paul Bley etwa auf „Open, To Love“ zu Gehör, allein am Klavier. Jahrzehnte später Marylin Crispell mit „Nothing Ever Was, Anyway – Music of Annette Peacock“. Für das kammermusikalische Szenario von „An Acrobat‘s Heart“ (mit einem Hauch von Folk, den ich nie ding- und ortfest machen kann), gab es einmal mehr keinen Vorläufer unter ihren eigenen Alben, und unter anderen sowieso nicht. Klappt man das Gatefold-Cover auf, finden sich die lyrics, die wider allen Mainstream-Empfindsamkeiten, Liebesdingen und Erinnerungen auf den Grund und Abgrund gehen – die Bilder der Worte so elementar, so klar, und doch kaum zu fassen. Fragile Sphären, unzerbrechlich!

Ich traf sie damals in München, und sie erzählte da auch von sensiblen Momenten der Produktion. Einmal, morgens spürte sie ihre Energie schwinden, konnte den Termin nicht wahnehmen, alles hing in der Luft. Es nahm ein gutes Ende. Zum Glück. „An Acrobat’s Heart“. Mit Brian Eno ist sie übrigens nie zusammengekommen (das wäre auch ein interessantes Paar im Studio gewesen – die „Annette Peacock Brian Eno Synthesizer Show“ hätte ich zu gerne erlebt), aber einmal, früh in den Siebzigern, lieh er ihr ein wunderbares Paar alter Hornlautsprecher, sie verliebte sich in ihren Sound, und rückte sie nie wieder raus. 

(Michael Engelbrecht)

Reverberations

„Listening to „Camille“ by Annette Peacock from „An Acrobat´s Heart as I´m writing to you. What a beautiful and original recording this is. Picturing Jan Erik clearly in front of me at this very moment. He was such a nice and gentle person that contributed to so many wonderful recordings. A gentleman with acute ears and a big heart, always welcoming musicians into his wonderful Rainbow studio. And the Cikada quartet sits just perfect for this piece. Like the sound of leafs falling off a tree.“

(Jan Bang, mail)