Diese Anklage ist richtig

Das Abgrundtief-Niederträchtige ist der Hamas genauso zueigen wie den Kriminellen der israelischen Regierung, die willentlich an einem Genozid in Palästina mitwirken, durch die Ermordung von Kindern, Frauen und zahllosen anderen Unschuldigen. Und durch die jahrelange Duldung der Ermordung von Palästinensern durch faschistoide israelische Siedler. Hier eine Klarstellung von Ronen Steinke aus der SZ. (M.E.)


Nimmt man den gesamten Globus in den Blick, wie dies ein Internationaler Strafgerichtshof tun sollte, dann gibt es gewiss viel grausamere Kriegsherren als den seit zusammengerechnet 16 Jahren regierenden Premierminister Israels, Benjamin Netanjahu. Man braucht nur direkt nebenan zu schauen, im Nachbarland Syrien sitzt – vom Internationalen Strafgerichtshof unbehelligt – ein Diktator in zweiter Generation, Baschar al-Assad, der Zehntausende Menschen in Folterkellern verschwinden lässt, Fassbomben auf Wohngebiete abwerfen lässt und dabei nicht einmal so tut, als würde er, wie Netanjahu, einen grundsätzlich legitimen Verteidigungskrieg führen müssen.

Blickt man in die Galerie der jüngeren Zeitgeschichte, dann sind es sogar überhaupt nur wenige Regierungschefs, die jemals offiziell durch die internationale Justiz zu Straftatverdächtigen erklärt worden sind. Was nun mit Netanjahu geschieht, ist selten: Am Montag hat der Chefankläger des Weltstrafgerichts verkündet, er wolle einen Haftbefehl gegen den Israeli erwirken, ungeachtet aller amtlichen Würden – so wie zuvor etwa gegen den Russen Wladimir Putin, der sein Nachbarland ohne jede glaubwürdige Rechtfertigung überfiel. Oder einst auch gegen Slobodan Milošević, den politischen Einpeitscher der serbischen Völkermörder-Truppen in Srebrenica und an vielen weiteren Orten des Balkans.

Mit der Totalität jener Angriffskriege kann man die schwierige Kriegsführung Israels gegen eine Terrorarmee, die Kibbuzim und Dörfer angegriffen hat und sich seither in Tunnels und hinter Zivilisten verschanzt, nicht vergleichen. Mit ihnen aber wird man den Israeli Netanjahu jetzt rechtshistorisch in eine Reihe stellen. Das ist die Bedeutung dieses juristischen Schrittes in Den Haag. Auch wenn es noch einige Tage dauern dürfte, bis die Richter dort aller Erfahrung nach dem beantragten Haftbefehl zustimmen, und auch wenn Netanjahu dann noch länger auf freiem Fuß bleiben dürfte, weil der Staat Israel ihn natürlich nicht ausliefert.

Und trotzdem: Nichts von diesen Vergleichen entlastet Netanjahu, weder moralisch noch juristisch. So wie es den israelischen Premier auch nicht entlastet, dass gleichzeitig mit ihm und seinem Verteidigungsminister Joav Gallant auch noch die drei wichtigsten Köpfe der Gegenseite, der terroristischen Hamas, für einen Haftbefehl ausgesucht worden sind, was auf den ersten Blick wie eine sonderbar undifferenzierte Gleichmacherei aussieht. Natürlich weisen die mörderischen Taktiken der Hamas eine ganz andere Abgründigkeit auf. Die Hamas-Planer sind es schließlich, die den Krieg und das Leid auch ihrer eigenen Zivilbevölkerung provoziert und genau so gewollt haben. 

Aber das trägt nicht sehr weit als Ausrede für Netanjahus eigene Entscheidungen. Das humanitäre Völkerrecht mit seinem zentralen Appell, Zivilisten zu schonen, bindet alle Seiten in einem Krieg, oder es ist wertlos. Es geht dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs erkennbar nicht um die Tatsache, dass Israel sich verteidigen muss. Sondern allein um die Art und Weise, wie es dies tut. 

Und wer, wie Netanjahu und die israelische Militärführung, mit so großer Beharrlichkeit die zunächst vorsichtigen, zuletzt immer eindringlicheren Ermahnungen internationaler Juristen wie auch politischer Partner in den Wind geschlagen hat, im Städte- und Häuserkampf auf Zivilisten Rücksicht zu nehmen und diese etwa nicht hungern zu lassen – der hat sich selbst dafür entschieden, eine rote Linie zu überschreiten. Die Anklage gegen Netanjahu ist deshalb richtig.

Eine Zäsur ist sie gleich in doppelter Hinsicht. Erstens zeigt die internationale Strafjustiz ein Selbstbewusstsein, das neu ist. Erstmals trifft eine Anklage aus Den Haag einen langjährigen, engen Verbündeten des politischen Westens; das hätten die Juristen dort sich in den Anfangsjahren nach der Eröffnung des Weltstrafgerichts um die Jahrtausendwende herum kaum getraut. Der Strafgerichtshof ist auf Finanziers aus Europa angewiesen, auf die millionenschwere Unterstützung von Staaten wie Deutschland – und die Juristen dort werden nun bang verfolgen, was es für diese Unterstützung bedeutet, wenn sie von ihrer justiziellen Unabhängigkeit zunehmend mutig Gebrauch machen. (R.S.)

Gaza ist ein Friedhof

Es gibt überhaupt keinen Grund, Künstlern Antisemitismus und Israelhass zu unterstellen, die gegen die schweren Kriegsverbrechen der Israeli in Gaza protestieren. Ob Brian Eno, Julia Holter, Susan Sarandon, Jonathan Glazer. Um nur ein paar zu nennen. 2/3 der unschuldigen Opfer, zigtausende (!), sind Kinder und Frauen. Wer das mit unvermeidlichen Kollateralschäden rechtfertigt, verrät nur seinen eigenen Menschen verachtenden Zynismus  Widerlich das rücksichtslose Töten der israelischen Kriegsführung, so widerlich wie das entsetzliche Gemetzel der Hamas. Ich bin erschüttert von dem fortgesetztem Waffentransport nach Israel aus Deutschland. Gaza war ein Gefängnis, jetzt ist Gaza ein Friedhof. Eine Zwei-Staaten-Lösung ist die einzige produktive Lösung, Netanjahu und seine Rachepolitik versucht das mit aller mörderischen Macht zu verhindern. (m.e.)

There is absolutely no reason to accuse artists of anti-Semitism and hatred of Israel who protest against the serious war crimes committed by the Israelis in Gaza. Whether Brian Eno, Julia Holter, Susan Sarandon or Jonathan Glazer. Just to name a few. 2/3 of the innocent victims, tens of thousands (!), are children and women. Those who justify this with unavoidable collateral damage only betray their own contemptuous cynicism. Disgusting the ruthless killing of Israeli warfare, as disgusting as the horrific carnage of Hamas. I am shocked by the continued transport of weapons to Israel from Germany. Gaza was a prison, now Gaza is a cemetery. The two states solution is the only productive solution, Netanyahu and his revenge politics are trying to prevent that with all their murderous might.

(Am 19. März sind in Utrecht Tausende Kinderschuhe aufgestellt worden, um auf die getöteten Kinder im Gazastreifen aufmerksam zu machen.)